Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses von 33 Jahren an Grundrentenzeiten für den Grundrentenzuschlag aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 76g Abs 1 SGB 6
Leitsatz (amtlich)
Das Erfordernis von 33 Jahren an Grundrentenzeiten für den Grundrentenzuschlag nach § 76g Abs 1 SGB VI begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.07.2022 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Gewährung höherer Altersrente für schwerbehinderte Menschen unter Berücksichtigung eines Grundrentenzuschlags.
Die 1957 in der ehemaligen UdSSR geborene Klägerin ist Mutter von fünf Kindern (E1, geb. 1977, H1, geb. 1980, A1, geb. 1986, M1, geb. 1988 und C1, geb. 1991) und übersiedelte als Vertriebene im Dezember 1987 in die Bundesrepublik Deutschland.
Auf ihren Antrag vom 21.05.2021 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 20.07.2021 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.06.2021 i.H.v. 739,17 € (monatlicher Zahlbetrag 658,61 €). Einen Grundrentenzuschlag berücksichtigte die Beklagte hierbei nicht und verwies darauf, dass lediglich 312 Monate mit Grundrentenzeiten vorlägen (Anlage „Grundrentenzeiten“ zum Rentenbescheid).
Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, dass die Erziehung von fünf Kindern für die Erfüllung der Voraussetzungen für die Grundrentenzeiten ausreichend sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 19.10.2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zu den Voraussetzungen für den Grundrentenzuschlag nach § 76g Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) gehöre, dass mindestens 33 Jahre (396 Monate) mit Grundrentenzeiten vorhanden seien. Auch unter Berücksichtigung der Zeiten für Kindererziehung der fünf Kinder seien nur 312 Monate mit Grundrentenzeiten vorhanden. Zur Anrechnung kämen dabei für jedes Kind 30 Monate mit Pflichtbeiträgen für Kindererziehung sowie zehn Jahre mit Berücksichtigungszeiten, wenn neben den Berücksichtigungszeiten keine anderen anrechenbaren rentenrechtlichen Zeiten lägen. Sich überschneidende Berücksichtigungszeiten für die Erziehung mehrerer Kinder würden nicht mehrfach angerechnet. Sofern Pflichtbeiträge für Kindererziehung neben anderen Beitragszeiten oder Ersatzzeiten lägen, würden diese nur einmal als Grundrentenzeit angerechnet. Mit 312 Monaten an Grundrentenzeiten seien die gesetzlichen Voraussetzungen für den Grundrentenzuschlag nach § 76g SGB VI nicht erfüllt.
Hiergegen richtet sich die am 15.11.2021 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin geltend gemacht hat, die 33 Jahre an Grundrentenzeiten seien für eine deutsche Frau „mit ev. ein paar Kindern gut zu erreichen“. Für sie, eine deutsche Vertriebene aus der ehemaligen Sowjetunion mit fünf Kindern, reiche die Zeit nicht aus, um die 33 Jahre zu erreichen.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 12.07.2022 die Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid abgewiesen. Die Beklagte habe die gesetzlichen Vorgaben korrekt umgesetzt.
Gegen den ihr am 26.07.2022 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 23.08.2022 bei der Rechtsantragsstelle des SG eingelegte Berufung der Klägerin. Sie ist weiterhin der Auffassung, mit der Erziehung von fünf Kindern ihren Beitrag für den Grundrentenzuschlag geleistet zu haben, indem die Finanzierung der Rentenversicherung in einer anderen Form unterstützt worden sei. Die Beklagte und das SG hätten auf gesetzliche Vorschriften hingewiesen, ohne soziale oder sachliche Kompetenz zu berücksichtigen. 396 Monate Grundrentenzeiten und fünf Kinder seien nicht möglich, die Kinder hielten den Generationenvertrag ein.
Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 12.07.2022 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20.07.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.10.2021 zu verurteilen, ihr höhere Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01.06.2021 unter Berücksichtigung eines Grundrentenzuschlags zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat keinen Erfolg.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und damit zulässig, sie ist in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 20.07.2021 in der Gestalt des Wi...