Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. vorstationäre Krankenhausbehandlung. "Erstuntersuchung" iSd Vertrags nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5 in Baden-Württemberg. auch Maßnahmen der Großgerätediagnostik sowie Patientenbeobachtung/-überwachung umfasst. Untersuchungsbeobachtung im Einzelfall auf Intensivstation nicht ausgeschlossen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung des landesvertraglichen Begriffs der "Erstuntersuchung" (im Krankenhaus); hier: § 5 Landesvertrag Baden-Württemberg.
2. Die landesvertraglich (§ 112 SGB V) bei Ab- oder Weiterverweisung des Patienten wie eine vorstationäre Krankenhausbehandlung (§ 115a SGB V) zu vergütende "Erstuntersuchung" des Patienten im ab- oder weiterverweisenden Krankenhaus umfasst auch Maßnahmen der Großgerätediagnostik und die Patientenbeobachtung bzw Patientenüberwachung während der Untersuchung (Untersuchungsbeobachtung).
3. Die Untersuchungsbeobachtung als Teil der (Erst-)Untersuchung kann im Einzelfall auch auf der Intensivstation des Krankenhauses stattfinden, darf aber nur Beobachtungs- bzw Überwachungsmaßnahmen der Intensivmedizin (einschließlich zu- und untergeordneter Begleitmaßnahmen), jedoch keine intensivmedizinischen Behandlungsmaßnahmen umfassen; andernfalls liegt keine (Erst-)Untersuchung (im Krankenhaus), sondern eine nach Fallpauschalen zu vergütende Behandlung (im Krankenhaus) vor.
Normenkette
SGB V § 115a Abs. 3, § 112 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 109 Abs. 4 Sätze 2-3, § 39 Abs. 1 S. 1, §§ 95, 107; Landesvertrag BW § 5 Abs. 1, 2 S. 1, § 3 Abs. 1, 2 S. 1; KHEntG § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 1 Abs. 3 S. 1; KHG § 17b S. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 11.05.2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 778,48 € endgültig festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung des Krankenhausaufenthalts eines bei der Beklagten gesetzlich Versicherten.
Die Klägerin ist Trägerin eines gemäß § 108 Nr. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versorgung gesetzlich Versicherter zugelassenen Krankenhauses.
Am 22.03.2009 wurde der 1938 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte K. K. (im Folgenden: Versicherter) vom ärztlichen Notfalldienst N. ins Krankenhaus eingewiesen. Der ärztliche Notfalldienst hatte folgende Diagnosen gestellt: Apoplex, betont linksseitig, differenzialdiagnostisch hypertensive Krise. Auf dem Einweisungsschein ist zum Untersuchungsergebnis angegeben: “geschwollene Beine, beidseitig, diskret, schwache, träge Lichtreaktion der Pupillen, Pulmo beidseitig auskul. unauffällig; Puls 90 regelmäßig, leicht verwaschene Sprache; RR 210/110, nach 2 Hub Nitro RR 160/100, grobe Kraft OE + UE (obere und untere Extremitäten) links gemindert, Gleichgewichtsstörung„. Dem Versicherten wurden vom ärztlichen Notfalldienst neben der Anwendung von Nitro-Spray 1000 ml Ringerlösung intravenös verabreicht.
Am 22.03.2009 um 12.45 Uhr wurde der Versicherte in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen. Um 12.57 Uhr wurden Laborwerte erhoben. Danach wurde eine Computertomographie des Schädels durchgeführt. Diese ergab eine Hirnmassenblutung von 6 x 3,5 x 4 cm Ausdehnung an untypischer Stelle, als deren Ursache der Verdacht auf einen Tumor, eine Metastase oder eine Gefäßfehlbildung geäußert wurde. Gegen 13.00 Uhr wurde der Versicherte auf die Intensivstation M17 verlegt. Dort wurden die Vitalwerte (Blutdruck, Puls, Sauerstoffsättigung) und die Urinausscheidung überwacht. Außerdem wurde dem Versicherten über den liegenden Zugang eine physiologische Kochsalzlösung infundiert. Die Ärzte des Krankenhauses der Klägerin hielten - unter Übermittlung der CT-Aufnahmen vom Schädel des Versicherten per Internet - Rücksprache mit Ärzten der Neurochirurgischen Klinik des Klinikum W.. Diese ergab, dass ein operativer Eingriff nicht indiziert war. Um 16.00 Uhr wurde der Versicherte vom Krankenhaus der Klägerin in die Neurologische Klinik des Klinikum am We., Wei., verlegt.
Mit Schlussrechnung vom 02.04.2009 rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten für die stationäre Behandlung des Versicherten am 22.03.2009 auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis-Related-Group (DRG) B70 (Apoplexie, ein Behandlungstag) einen Gesamtbetrag i.H.v. 882,78 € ab. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, beauftragte aber den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Im MDK-Gutachten vom 27.08.2009 führte Dr. G. aus, die Krankenhausbehandlung des Versicherten sei wegen dessen Zustands notwendig gewesen. Unter Berücksichtigung der Vorgaben des für Baden-Württemberg maßgeblichen Vertrags nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V - Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung - (im Folgenden nur: Landesvertrag) - habe es sich um eine Eingangsuntersuchung mit Verlegung in eine spezialisierte Abteilung gehandelt.
Die...