Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung zwischen Hilfsmittel und Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens
Orientierungssatz
1. Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, soweit diese nicht als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind. Zur Ermittlung des Vorliegens der Eigenschaft eines Hilfsmittels der Krankenversicherung ist allein auf die Zweckbestimmung des Gegenstandes abzustellen.
2. Ein Gerät, das für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen hergestellt wird, und das ganz überwiegend auch von diesem Personenkreis genutzt wird, ist nicht Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Danach ist ein Laufband als Fitnessgerät nicht überwiegend für Behinderte und Kranke bestimmt und unterfällt infolgedessen nicht der Leistungspflicht der Krankenkasse.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2003 wird zurückgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einem Laufband als Hilfsmittel.
Die 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einer infantilen Zerebralparese (spastische tribetonte Tetraparese), Zustand nach Adduktorenverpflanzung, Iliopsoastenotomie sowie Achillessehnenverlängerung bds. 10/99 sowie einer Teilleistungsstörung (LRS) mit sharp wave-Foci (Symptomatische Partialepilepsie). Diese Behinderung hat bei ihr zur Folge, dass ihre Rumpfmuskulatur dorsal abgeschwächt ist, eine Translation des Oberkörpers nach links besteht und das Becken nach ventral gekippt und nach rechts rotiert ist. Die Knieextension ist bds. enggradig eingeschränkt und es besteht eine Flexions- und Innenrotation in beiden Hüftgelenken. Zur allgemeinen Kräftigung sowie zur Verbesserung des Gangbildes erhielt die Klägerin im Juli/August 2001 eine stationäre neurologische Rehabilitationsbehandlung, die u. a. durch den Einsatz eines Laufbandes zu einer Verbesserung des Gangbildes und der Gelenkmobilisierung geführt hat.
Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 20. September 2001 der behandelnden Ärztin Dr. N beantragte sie deshalb die Bereitstellung eines Laufbandes zur häuslichen therapeutischen Anwendung. Während des Rehabilitationsaufenthaltes habe die Klägerin auf einem solchen Gerät geübt und dabei eine wesentliche Verbesserung des Gangbildes und des selbstständigen Gehens erreicht. Zum Muskelaufbau und zur Verbesserung der koordinativen Lauffähigkeit sei es im Hinblick auf die Stabilisierung der Rückenmuskulatur erforderlich, das Rehabilitationstraining auf dem Laufband auf Dauer fortzusetzen. Die Klägerin sei aufgrund der Erkrankung nicht in der Lage, selbstständig Rehabilitationseinrichtungen aufzusuchen. Physiotherapiepraxen würden über keine Laufbänder verfügen, Fitnesscenter für Kinder gebe es nicht.
Mit Bescheid vom 15. November 2001, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 2002, lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme mit der Begründung ab, bei dem begehrten Laufband handele es sich um einen Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, da es als Fitnessgerät einzuordnen sei.
Die dagegen zum Sozialgericht Berlin erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 24. November 2003 abgewiesen. Das begehrte Laufband sei ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, eine Leistungspflicht der Beklagten sei somit ausgeschlossen.
Gegen das ihr am 5. Februar 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Februar 2004 Berufung eingelegt. Sie führt aus: Bei dem Laufband handele es sich um ein Hilfsmittel im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V. Es diene dem Ausgleich einer Behinderung. Darüber hinaus sei das Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten. Eine therapeutische Behandlung in einer Rehabilitationsklinik oder bei einem ähnlichen Leistungsanbieter würde auf Dauer höhere Kosten verursachen als das begehrte Laufband. Es sei kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, auch wenn es über Funktionen wie Zeitmessung und Tausendmeterzeit, die Messung von Fitnessnoten sowie eine Laufgeschwindigkeit bis 16 km/h und die Möglichkeit zur Einstellung des Steigungsgrades von 12 % verfüge. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, ob der Gegenstand auch in der Form seines Therapiezweckes im konkreten Fall durch gesunde Personen benutzt werde. Dies sei nicht der Fall. Gerade die Benutzung im Geschwindigkeitsbereich von 1 km/h werde von einem durchschnittlich gesunden Menschen nicht verwendet. Die verschiedenen an den Geräten angebrachten Messeinrichtungen dienten lediglich der Kontrolle des Trainingserfolges für behinderte Menschen. Darüber hinaus sei die Beklagte ihrer Beratungspflicht nicht nachgekommen. Die Bewilligung des Laufbandes sei mit der Begründung abgelehnt worden, dass der beabsichtigte Muskelaufbau bei der Klägerin auch durch normales Lauftraining erreicht werden könne. Diese Einschätzung gehe jedoch fehl. Die Beklagte hätte die Kläg...