Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung als Maßnahmenträger der beruflichen Weiterbildung: Entzug der Maßnahmenzulassung als Sozialrechtsstreit. Rechtsschutzbedürfnis für Streit um Entzug einer Zertifizierung nach Erteilung einer erneuten Zertifizierung durch eine Zertifizierungsgesellschaft
Orientierungssatz
1. Für einen Rechtsstreit um den Entzug von Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung und der entsprechenden Zertifizierung zu Lasten eines anerkannten Maßnahmeträgers im Bereich der Arbeitsförderung ist der Sozialrechtsweg eröffnet.
2. Erlangt ein Maßnahmeträger im Bereich der beruflichen Weiterbildung nach Entzug der Zertifizierung durch die Arbeitsagentur eine vergleichbare Zertifizierung durch einen Zertifizierungsgesellschaft, die eine Rezertifizierung bewirkt, so entfällt damit das Rechtsschutzbedürfnis im Eilverfahren über die Rechtmäßigkeit des Entzugs der Zertifizierung.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 5. Mai 2010 aufgehoben.
Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Der Streitwert wird unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Potsdam vom 31. Mai 2010 für beide Instanzen auf jeweils 67.500,- € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss vom 5. Mai 2010, mit dem das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen den Entzug der Zulassung bestimmter Maßnahmen sowie die Aussetzung der Träger- und Maßnahmezulassung “festgestellt„ und die Antragsgegnerin verpflichtet hat, die sofortige Vollziehung des Zulassungsentzugs und der Aussetzung der Träger- und Maßnahmezulassung rückgängig zu machen, ist zulässig und begründet.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes, mit dem die Antragstellerin bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) begehrt, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen die mit Bescheid vom 12. April 2010 für sofort vollziehbar erklärten Entscheidungen der Antragsgegnerin über die Entziehung der Zulassung von insgesamt 25 Maßnahmen (Schreiben vom 5. Februar 2010), die Aussetzung der Träger- und Maßnahmenzulassung (Schreiben vom 8. Februar 2010) und die Aussetzung der Zertifizierung nach ISO 9001 (Schreiben vom 8. Februar 2010) anzuordnen, ist unzulässig.
Zwar ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG eröffnet. Denn es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Arbeitsförderung. Ungeachtet ihrer privaten Rechtsform nimmt die Antragsgegnerin als von der Beigeladenen nach §§ 2 und 3 der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch - AZWV vom 16. Juni 2004 (BGBl. I S. 1100) anerkannte fachkundige Stelle im Zulassungs- bzw. Zertifizierungsverfahren nach §§ 84, 85 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) hoheitliche Aufgaben wahr und wird damit als “Beliehene„ tätig (vgl. Niewald, in Gagel, SGB III, Stand: Dezember 2005, § 84nF Rn 28ff.; Eicher, in Eicher/Schlegel, SGB III, vor §3 84 -87, Rn 14 ff.). Soweit die Beigeladene und die Zertifizierungsstellen in ihrer Rechtspraxis von einer privatrechtlichen Natur der Zertifikate ausgehen, lässt sich diese Auslegung nicht mit dem Wortlaut der AZWV und des § 87 SGB III vereinbaren (siehe dazu näher: Eicher, aaO Rn 15). Der Zuordnung von Zertifizierungsentscheidungen zum öffentlichen Recht steht auch die von der Antragsgegnerin angeführte Begründung zur AZWV, in der von dem Privatrecht zuzuordnenden vertraglichen Regelungen zwischen Bildungsträger und Zertifizierungsstelle die Rede ist, nicht entgegen. Denn bestimmte Ausgestaltungen des Zertifizierungsverhältnisses mögen privatrechtlich zu regeln sein, was jedoch nicht die öffentlich-rechtliche Rechtsnatur der Zulassungsentscheidungen in Frage stellt (Zwei-Stufen-Theorie). § 51 Abs. 1 Nr. 4 SGG greift nicht nur hinsichtlich der Maßnahmen des Entzugs bzw. der Aussetzung der Zulassung eines Maßnahmeträgers und der von ihm durchgeführten Maßnahmen zur Förderung der beruflichen Weiterbildung (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 30. Januar 2009 - L 5 B 3/09 ER AL -, juris), denen Verwaltungsaktqualität zukommt (vgl. Niewald, aaO, Rn 30 sowie zur Entscheidung über die Anerkennung einer Weiterbildungsmaßnahme BSG, Urteil vom 5. Juni 2003 - B 11 AL 59/02 R -, juris), sondern begründet auch bezüglich der von der Antragsgegnerin daneben vorgenommenen Aussetzung der Zertifizierung nach ISO 9001 die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit. Denn mit der Zertifizierung nach ISO 9001 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin in Ausübung ihrer “Überwachungsfunktion„ (vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26. Februar 2010) beschein...