Entscheidungsstichwort (Thema)
Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem selbstständigen Steuerberater, der in einem anderen Bundesland auch als Syndikus-Steuerberater beschäftigt ist
Orientierungssatz
1. Ist ein Steuerberater neben seiner selbstständigen Tätigkeit (hier: in Nordrhein-Westfallen) an einem weiteren Ort in einem anderen Kammerbezirk (hier: in Berlin) zugleich auch als Syndikus-Steuerberater tätig, so bleibt die Mitgliedschaft in der Steuerberaterkammer am Sitz der selbstständigen Tätigkeit und damit auch die Mitgliedschaft im dortigen berufsständischen Versorgungswerk bestehen.
2. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung kann in diesem Fall auch dann erfolgen, wenn am Ort der Ausübung der abhängigen Beschäftigung ein Versorgungswerk nicht existiert.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Januar 2017 geändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2014 verpflichtet, den Kläger für seine Tätigkeit als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in der Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014 von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.
Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Befreiung von der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. Juli 2013 bis 31. Januar 2014.
Der im März 1976 geborene Kläger ist als Steuerberater bestellt (Urkunde der Steuerberaterkammer Düsseldorf vom 26. September 2008).
Zum 15. Januar 2013 hatte der Kläger eine Beschäftigung als Steuerberater bei der S GmbH und Co. KG in L in Brandenburg, wo er seine berufliche Niederlassung unterhielt, aufgenommen. Zum 1. Februar 2013 war er aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Steuerberaterkammer Brandenburg und zugleich Mitglied im Versorgungswerk für Steuerberater und Steuerbevollmächtigte im Land Brandenburg. Auf seinen Antrag hatte ihn die Beklagte mit Bescheid vom 2. Mai 2013 als Steuerberater bei der S GmbH und Co. KG ab 1. Februar 2013 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Zum 30. April 2013 war er bei gleichzeitiger Beendigung seiner Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Land Brandenburg aus der Steuerberaterkammer Brandenburg ausgeschieden.
Zum 1. Mai 2013 wurde der Kläger Mitglied der Steuerberaterkammer Westfalen- Lippe und zugleich kraft Gesetzes Mitglied im Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen.
Zum 1. Juli 2013 nahm der Kläger eine Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der Beigeladenen in Berlin auf.
Den im August 2013 gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2013 ab: Eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht sei für seine Beschäftigung als Steuerberater nur dann möglich, wenn die Pflichtmitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und in der Berufskammer aufgrund dieser Beschäftigung bestehe. Hierbei müsse die Beschäftigung in einem Bundesland ausgeübt werden, in dem auch ein Versorgungwerk für die jeweilige Berufsgruppe errichtet sei. In Berlin bestehe kein Versorgungswerk für Steuerberater.
Zum 1. Februar 2014 wurde der Kläger aufgrund gesetzlicher Verpflichtung Mitglied der Steuerberaterkammer Brandenburg und zugleich kraft Gesetzes Mitglied im Versorgungswerk der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten im Land Brandenburg. Am 1. Februar 2014 nahm er eine Beschäftigung als Syndikus-Steuerberater bei der F- AG in B in Brandenburg auf. Auf seinen Antrag befreite ihn die Beklagte mit Bescheid vom 1. April 2014 für die Tätigkeit als Steuerberater bei der F- AG ab 1. Februar 2014 von der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Mit seinem Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. November 2013 machte der Kläger geltend, bedingt durch die Versagung der Befreiung von der Deutschen Rentenversicherung sei er einer finanziellen Doppelbelastung ausgesetzt, weil Beiträge sowohl an die Beklagte als auch an das Versorgungswerk der Steuerberater im Land Nordrhein-Westfalen zu entrichten seien. Diese finanzielle Ungleichbehandlung könne er nicht ertragen. Der Kanzleiaufbau in Nordrhein-Westfalen habe finanziell durch eine Angestelltentätigkeit unterstützt werden sollen, habe aber wieder eingestellt werden müssen, weil die Doppelbelastung dies nicht zulasse. Eine freie Berufsausübung sowie die freie gleichberechtigte Lebensplanung sei ein Widerspruch gegen den Gleichheitsgrundsatz in Deutschland, Artikel 3 Grundgesetz (GG).
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Für die Beschäftigung als Steuerberater in Berlin könne die Versorgung nur ...