Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Versicherten auf Krankengeld bei Freistellung von der Arbeit

 

Orientierungssatz

1. Ob dem Versicherten ein Krankengeldanspruch zusteht, richtet sich nach den Vorschriften der §§ 44 und 46 SGB 5 und nicht danach, welcher Beitragssatz zu entrichten ist. Der Krankengeldanspruch beginnt mit dem Tag nach der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses. Ist der Versicherte unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts von der Arbeit freigestellt, so führt dies nicht zum Ausschluss des Krankengeldanspruchs.

2. Zur Weiterbewilligung von Krankengeld über den letzten Abschnitt der Krankengeldbewilligung hinaus ist der Versicherte verpflichtet, vor dessen Ablauf seine Arbeitsunfähigkeit erneut ärztlich feststellen zu lassen.

3. Diese Obliegenheit entfällt weder deshalb, weil der letzte Tag der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit auf einen Sonntag fällt, noch weil der behandelnde Arzt den Versicherten unzutreffend oder gar nicht rechtlich beraten hat.

 

Tenor

Die Berufungen werden zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Krankengeld für den Zeitraum 1. Februar 2012 bis 25. Oktober 2012.

Die am 1. Januar 1961 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert und arbeitete vom 1. April 1985 bis zum 31. Januar 2012 bei der Firma O als Maschinenbedienerin. Aufgrund einer Ende Juni 2011 geschlossenen Aufhebungsvereinbarung endete das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung von O aus betriebsbedingten Gründen mit Ablauf des 31. Januar 2012. Der Klägerin wurde eine Abfindung zugesprochen. Zugleich wurde die Klägerin in der Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31. Januar 2012 unter Fortzahlung ihrer Bezüge von der Arbeit freigestellt. Die Freistellungserklärung des Arbeitgebers enthielt den Zusatz, dass die Klägerin während dieser Freistellungsphase Entgelt erhalte, unabhängig davon, ob sie arbeitsfähig sei oder nicht; sie habe keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung oder lohnersetzende Leistungen. Während dieser dreimonatigen Freistellungsphase leistete der Arbeitgeber lediglich den ermäßigten Beitragssatz nach § 243 SGB V an die Beklagte.

Seit dem 20. Januar 2012 war die Klägerin, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, aufgrund einer depressiven Erkrankung arbeitsunfähig. Bei den Verwaltungsakten der Beklagten befinden sich insoweit folgende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Arztes für Nervenheilkunde R H:

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vom 20. Januar 2012 für den Zeitraum 20. Januar 2012 bis 10. Februar 2012;

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vom 10. Februar 2012 für den Zeitraum 10. Februar 2012 bis 9. März 2012;

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vom 9. März 2012 für den Zeitraum 9. März 2012 bis 10. April 2012;

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vom 10. April 2012 für den Zeitraum 10. April 2012 bis 9. Mai 2012;

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vom 9. Mai 2012 für den Zeitraum 9. Mai 2012 bis 9. Juni 2012 (Samstag);

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vom 11. Juni 2012 (Montag) für die Zeit vom 11. Juni 2012 bis zum 4. Juli 2012;

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vom 4. Juli 2012 für den Zeitraum 4. Juli 2012 bis 1. August 2012 sowie

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vom 31. Juli 2012 für den Zeitraum 31. Juli 2012 bis 30. August 2012.

Weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sind nicht aktenkundig; die Klägerin bringt vor, solche bis einschließlich 25. Oktober 2012 erhalten zu haben.

Vom 26. Oktober 2012 bis zum 25. September 2013 bezog die Klägerin Arbeitslosengeld. Ab dem 26. September 2013 bezog sie erneut Krankengeld. Ein am 22. Februar 2012 gestellter Antrag auf Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente wurde vom zuständigen Rentenversicherungsträger abgelehnt; hierüber wird von der Klägerin bei dem Sozialgericht Berlin gestritten.

Mit Bescheid vom 10. Februar 2012 lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld für die Zeit ab 20. Januar 2012 ab. Zu diesem Zeitpunkt habe keine Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krankengeld bestanden. Der ehemalige Arbeitgeber habe die Klägerin für die Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31. Januar 2012 ohne Anspruch auf Krankengeld bei der Beklagten versichert, so dass Krankengeld nicht gewährt werden könne.

Zur Begründung ihres hiergegen erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin an, seit dem 1. Februar 2012 bestehe ein Anspruch auf Krankengeld. Gegebenenfalls sei der volle Beitragssatz von O nachzuerheben.

Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 24. April 2012 zurück. Seit dem 1. Februar 2012 werde die Klägerin bei der Beklagten als freiwilliges Mitglied geführt. Ein Anspruch auf Krankengeld für die Zeit ab 20. Januar 2012 bestehe nicht. Zu Recht habe der Arbeitgeber in den drei Monaten der Freistellung bis zum 31. Januar 2012 nur den ermäßigten Beitragssatz nach § 243 SGB V entrichtet, denn in jener Zeit habe die Klägerin keinen Anspruch auf Krankengeld gehabt. Weil die Klägerin bis zum 31. Januar 2012 Arbeitsentgelt erhalten habe, sei der Ruhenstatbestand in § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erfüllt gewesen. Für den gesamten Zeitraum sei die Klägerin nicht mit A...

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