Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit bei Mitverschulden der Behörde
Orientierungssatz
1. Bei der Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung nach § 330 Abs. 2 SGB 3 i. V. m. § 45 SGB 10 kann sich der Begünstigte auf Vertrauensschutz nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
2. Hatte der Empfänger bei Erhalt des Bewilligungsbescheides Kenntnis von der Rechtswidrigkeit desselben, so findet ein Mitverschulden des Leistungsträgers keine Berücksichtigung. Ein Ermessen ist diesem nicht eingeräumt. Das Entfallen des Ermessens selbst in sog. atypischen Fällen ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 30. November 2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld und Anschluss-Unterhaltsgeld sowie um die Erstattung des überzahlten Betrages in Höhe von 4.329,90 EUR.
Der 1968 geborene Kläger war von September 1994 bis zum 30. April 1998 als Kraftfahrzeug- Mechaniker und nach zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit von September 1999 bis 31. März 2001 als Call-Center-Agent beschäftigt. Sein Brutto-Monatsentgelt betrug zuletzt rund 3700 DM. Ab dem 1. April 2001 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld in Höhe von 46,35 DM täglich auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgelts von 840 DM und der Leistungsgruppe A/0 (Bescheid vom 12. April 2001; auch alle weiteren Bescheide ergingen auf der Grundlage der Leistungsgruppe A/0). Mit Bescheid vom 16. Januar 2001 wurde u.a. die Währungsumstellung auf den Euro vollzogen und dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 23,71 EUR täglich auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 430 EUR wöchentlich ab dem 1. Januar 2002 bewilligt. In dieser Höhe wurde Arbeitslosengeld bis einschließlich 25. Januar 2002 gezahlt; danach war der Anspruch erschöpft.
Mit Bescheid vom 1. Februar 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe ab 26. Januar 2002 auf der Grundlage eines fehlerhaften Bemessungsentgeltes in Höhe von 835 EUR mit einem Leistungssatz von 33,63 EUR täglich. Mit Bescheid vom 14. Februar 2002 wurde dem Kläger ab dem 28. Januar 2002 wegen der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme Unterhaltsgeld in Höhe von 38,14 EUR täglich erneut auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 835 EUR bewilligt. Ab dem 23. Juli 2002 bezog der Kläger Anschluss-Unterhaltsgeld, welches ihm mit Bescheid vom 11. Juli 2002 erneut auf der Grundlage eines Bemessungsentgelts von 835 EUR wöchentlich in Höhe von 38,14 EUR täglich bewilligt wurde.
Mit Bescheid vom 27. August 2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger wegen der Teilnahme an einer weiteren Bildungsmaßnahme erneut Unterhaltsgeld in Höhe von 266,98 EUR wöchentlich/ 38,14 EUR täglich auf der Grundlage eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 835 EUR ab 1. August 2008. Mit Bescheid vom 24. September 2002 wurde dem Kläger Anschluss-Unterhaltsgeld ab 12. September 2002 nach demselben Bemessungsentgelt in unveränderter Höhe bewilligt.
Am 18. November 2002 nahm der Kläger eine Arbeit auf. Mit Bescheid vom selben Datum hob die Beklagte die Bewilligung von Anschlussunterhaltsgeld ab dem 18. November 2002 auf. In diesem Zusammenhang fiel bei der Beklagten auf, dass dem Kläger überhöhte Leistungen bewilligt worden waren. Am 26. November 2002 hörte die Beklagte den Kläger zu einer beabsichtigten teilweisen Aufhebung und Erstattung an. In seiner Stellungnahme vom 2. Dezember 2002 äußerte sich der Kläger wie folgt:
"Bei jedem der sechs Bewilligungsbescheide (dieses Jahr) habe ich nachgefragt "ist es so richtig?" Jedes Mal hat man mir gesagt es sei alles in Ordnung so, auch auf ausdrücklichen Hinweis meinerseits auf die Höhe der Bezüge"
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2002 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe teilweise in Höhe von 90,51 EUR wöchentlich für die Zeit vom 26. Januar 2002 bis 27. Januar 2002, sowie die Bewilligung von Unterhaltsgeld und Anschluss-Unterhaltsgeld teilweise in Höhe von 102,48 EUR wöchentlich ab 28. Januar 2002 bis 17. November 2002 auf und forderte insgesamt 4.329,90 EUR von dem Kläger zurück. Der Widerspruch des Klägers vom 6. Januar 2003 blieb ohne Begründung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Mit seiner Klage vom 29. Juni 2004 hat der Kläger geltend gemacht, er habe stets persönlich wegen der Höhe der Leistung Rücksprache mit der Arbeitsagentur genommen, jedes Mal sei er nach Erhalt eines neuen Bescheides zum Arbeitsamt gegangen und habe gesagt, ihm werde zu viel Geld gezahlt. Ihm ...