Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Auslegung von Vergütungsregelungen. Wortlaut. "knöcherne Defektsituation" iS von OPS 5-829.d (2009). Kodierbarkeit auch bei Knochendefekten infolge einer vorangegangenen Gelenkersatzoperation
Leitsatz (amtlich)
1. Auch normenvertragliche Abrechnungsbestimmungen unterliegen grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft; die routinemäßige Abwicklung zahlreicher Behandlungsfälle erfordert es jedoch, Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut auszulegen, allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang. Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG vom 17.12.2019 - B 1 KR 19/19 R = SozR 4-5562 § 9 Nr 15).
2. Die Wendung "bei knöcherner Defektsituation" in OPS 5-829.d (Version 2009) lässt es nach ihrem Wortlaut nicht zu, Knochendefekte infolge einer vorangegangenen Gelenkersatzoperation vom Anwendungsbereich auszunehmen, weshalb bei Wechseloperationen regelmäßig von einer knöchernen Defektsituation im Sinne dieses Schlüssels auszugehen ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 06. Juli 2016 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 3.752,15 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. September 2009 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.752,15 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte berechtigt war, gegen Vergütungsansprüche der Klägerin mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 3.752,17 Euro aufzurechnen, weil die Klägerin wegen einer entsprechenden Überzahlung für die Behandlung der Versicherten der Beklagten K zu Unrecht bereichert war. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob der (mit einem krankenhausindividuellen Zusatzentgelt in Höhe von 3.656,00 Euro verbundene) OPS 5-829.d zu kodieren war.
Der 1936 geborene Versicherte der Beklagten K wurde vom 25. März bis 9. April 2009 (15 Belegungstage) im Krankenhaus der Klägerin wegen einer Lockerung der erstmals im Jahr 2005 implantierten Totalendoprothese (TEP) im rechten Kniegelenk vollstationär behandelt. Eine erstmalige Wechsel-OP hatte sich im Jahr 2006 erforderlich gemacht. Im Rahmen des hier streitigen Aufenthalts erfolgte am 26. März 2009 ein (partieller) TEP-Wechsel in Allgemeinnarkose. Bis auf den noch „bombenfesten“ Tibiastiel (zapfenförmiges Implantat im Schienbeinknochen, auf dem die weiteren körperfernen Teile der Prothese angebracht werden) mussten bei dem 1,95 m großen, 125 kg schweren Versicherten alle TEP-Komponenten ausgetauscht werden, da es zu einer Lockerung des Femurstiels und zu einem Bruch der Tibiakomponente gekommen war. Ein intraoperativ entnommener Abstrich ergab eine Kontamination mit Staphylococcus epidermidis, welcher entsprechend einem Resistogramm antibiotisch behandelt wurde. Bis zum 6. April 2009 wurde eine blutig-seröse Sekretion dokumentiert. Nach röntgenologischer Kontrolle und Mobilisation wurde der Patient bei geplanter AHB am 9. April 2009 entlassen.
Mit Rechnung vom 21. April 2009 berechnete die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der DRG I43A sowie weiterer 3.752,15 Euro für das Zusatzentgelt ZE2009-25 einen Gesamtbetrag in Höhe von 16.074,69 Euro (Hauptdiagnose: T84.0, Nebendiagnosen u.a.: T81.0, T81.3, T84.5/B95.7!; OPS: 5-823.3x R, 5-829.d R). Die Beklagte glich die Rechnung zunächst vollständig aus, holte jedoch ein Gutachten des MDK zur Frage der richtigen Kodierung ein und verrechnete am 23. September 2009 den gesamten Rechnungsbetrag mit anderweitigen Forderungen der Klägerin und überwies am 25. September 2009 den ihrer Auffassung nach geschuldeten Betrag in Höhe von 12.322,52 Euro.
Der MDK führte in zwei Gutachten vom 25. Juni 2009 und 27. Mai 2010 aus, dass sowohl die Nebendiagnose T81.3 (unstreitig, aber nicht erlösrelevant) und der OPS 5-829.d nicht zu kodieren seien. Es habe sich nur um einen partiellen Knie-TEP-Wechsel gehandelt. Zwar resultiere weiterhin die DRG I43A, das Zusatzentgelt für die vom Krankenhaus abgerechnete modulare Endoprothese sei jedoch nicht gerechtfertigt. Es seien nur einzelne der modularen Komponenten gewechselt worden, während der verschlüsselte OPS die Implantation einer vollständigen modularen Prothese verlange. Das bereits implantierte modulare Kniesystem sei nur teilweise gewechselt worden. Der Tibiaschaftanteil sei belassen worden. Der Konus des Tibiaplateaus sei gebrochen gewesen und deshalb gewechselt worden. Es sei nur der Femuranteil neu eingesetzt worden. Ein kompletter Prothesenwechsel sei also nicht erfolgt. Zudem habe kein Knochendefekt und keine Wunddehiszenz (T81.3) vorgelegen.
Die Klägerin hat am 16. Dezember 2013 bei dem Sozialgericht Rostock Klage erhoben. Sie hat an der Kodierung des OPS 5-829.d festgehalten. Es sei die gesamte femorale Komponente gewechselt worden, was der Definition dieses Schlüssels ...