Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Pflegeversicherung. Pflichtmitgliedschaft freiwillig Krankenversicherter. Befreiung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Personen, die nach § 20 Abs 3 SGB 11 in der Sozialen Pflegeversicherung versicherungspflichtig sind, können auf Antrag gemäß § 22 SGB 11 von der Versicherungspflicht befreit werden. Wurde kein entsprechender privater Pflegeversicherungsvertrag abgeschlossen, kommt die Befreiungsregelung auch nicht zur Anwendung.
2. Die umfassende Normierung der Versicherungspflicht verstößt nicht gegen Art 2 Abs 1 GG (vergleiche LSG Celle vom 10.6.1997 - L 4/3 P 13/96 = Breith 1997, 933)
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung und die Freistellung von Beiträgen zur Sozialen Pflegeversicherung.
Der 1960 geborene Kläger erlitt am 21. Februar 1984 einen versicherten Wegeunfall, bei dem er sich einen Berstungs- und Verrenkungsbruch des 6. Halswirbelkörpers (HWK) mit Paraplegie und einen Schädelbruch zuzog. Seit diesem Zeitpunkt bezieht er aus der Gesetzlichen Unfallversicherung eine Verletztendauerrente in Höhe der Vollrente. Ferner bezieht er Höchstpflegegeld und Leistungen wegen Kleider- und Wäschemehrverschleiß.
Am 02. März 1995 beantragte er bei der Beklagten die Befreiung von der Beitragszahlung zur Pflegeversicherung und am 04. März 1995 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der Sozialen Pflegeversicherung. Zur Begründung führte er aus, er beziehe bereits gleichartige Leistungen, wie sie die Pflegeversicherung vorsehe, aus der Gesetzlichen Unfallversicherung in einem derartigen Umfang, daß gedanklich der Bezug von Leistungen aus der Pflegeversicherung aufgrund der Ruhensvorschrift in § 34 SGB XI nicht in Betracht zu ziehen seien. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 20. März 1995 beide Anträge mit der Begründung ab, der Kläger könne ggf seine jetzt noch bestehende Mobilität wegen einer anderen Erkrankung verlieren, die nicht im Zusammenhang mit Unfallfolgen zu sehen sei, so daß eine Leistungsberechtigung aus der Sozialen Pflegeversicherung durchaus denkbar sei. Eine Befreiung von der Mitgliedschaft in der Sozialen Pflegeversicherung sei gesetzlich nur vorgesehen, wenn eine entsprechende Versicherung bei einem privaten Pflegeversicherungsträger abgeschlossen werde. Mit seinem rechtzeitigen Widerspruch machte der Kläger geltend, daß hinsichtlich seiner Beitragspflicht eine analoge Anwendung des Art 47 Pflegeversicherungsgesetz bzw des § 56 Abs 4 SGB XI erforderlich sei. Er sei in einem Umfange pflegebedürftig, der eigentlich einen Aufenthalt in einer stationären Einrichtung erforderlich machen könnte. Bei dieser Sachlage sei er so zu behandeln, als ob er stationär untergebracht sei. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02. August 1995).
Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger sein Ansinnen weiter verfolgt. Er hat dargelegt, daß eine Gleichbehandlung mit stationär Pflegebedürftigen erforderlich sei und es nicht rechtmäßig sei, wegen des bestehenden faktischen Anspruchsausschlusses von ihm Beiträge zur Pflegeversicherung zu verlangen. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 31. Oktober 1997 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß eine unmittelbare Anwendung des Art 47 Pflegeversicherungsgesetz bzw § 56 Abs 4 SGB XI nicht in Betracht zu ziehen sei, weil der Kläger eben nicht stationär gepflegt werde. Eine analoge Anwendung der Vorschriften scheide ebenfalls aus, weil der Kläger insoweit die erweiternde Auslegung einer bereits als Ausnahmeregel konzipierten Norm erstrebe. Eine planwidrige Lücke in den gesetzlichen Regelungen sei nach den gesetzlichen Materialien nicht gegeben, denn der Gesetzgeber habe bezüglich der Beitragsbefreiung bzw der Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung zwischen stationär und ambulant Pflegebedürftigen differenziert. Im übrigen könne der Kläger auch Leistungen aus der Pflegeversicherung beanspruchen, weil nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen Ansprüche auf Beitragsentrichtung zur Gesetzlichen Rentenversicherung hätten.
Gegen dieses seinem Prozeßbevollmächtigten am 19. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. Januar 1998 Berufung eingelegt. Er macht geltend, der Unfallversicherungsträger wäre verpflichtet, mit Pflegepersonen Verträge abzuschließen und sie in der Gesetzlichen Rentenversicherung zu versichern, soweit wegen seiner Unfallfolgen weitere Pflegebedürftigkeit eintrete. Dementsprechend sei auch insoweit eine Leistungserbringung durch die Pflegeversicherung nicht gegeben.
Der Kläger beantragt,
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1. |
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 31. Oktober 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. März 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. August 1995 aufzuheben, |
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2. |
festzustellen, daß er nicht in der Pflegeversicherung versicherungspflichtig ist, |
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3. |
hilfsweise festzustellen, daß er nicht beitragspflichtig zur Sozialen Pflegeversicherung ist. |
Die Beklagte beantr...