Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. gerichtliche Überprüfung. Schiedsstellenentscheidung. Mitwirkungspflicht. Pflegeeinrichtung. Beurteilung. leistungsgerechte Vergütung. rückwirkendes Inkrafttreten
Orientierungssatz
1. Die den Mitgliedern einer Schiedsstelle vom Gesetz zugetraute Kompetenz gebietet es, die gerichtliche Überprüfung auf die der Schiedsstelle gesetzten rechtlichen Vorgaben zu beschränken und ihr für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe (insbesondere Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit, Leistungsfähigkeit, leistungsgerechtes Entgelt) einen weiten Spielraum, eine Einschätzungsprärogative zu belassen.
2. Die Beteiligten müssen bis zum Spruch der Schiedsstelle ihren Mitwirkungspflichten genügen; etwaige Versäumnisse können nicht im Klageverfahren nachgeholt werden.
3. Eine sachgerechte Beurteilung der leistungsgerechten Vergütung ist nur anhand einer detaillierten, sorgsam begründeten und plausibel erläuterten Kalkulation des Heimbetreibers möglich. Die Schiedsstelle wäre überfordert, sollte sie anstelle des Heimbetreibers ihrerseits eine eigenständige Kalkulation erarbeiten.
4. Damit die Schiedsstelle dem gesetzlichen Auftrag einer "unverzüglichen Entscheidung" gerecht werden kann, dürfen an die Begründung ihrer Entscheidung keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Entscheidend ist letztlich, dass sie ihre Abwägung frei von Einseitigkeit in einem den gesetzlichen Vorgaben entsprechenden fairen und willkürfreien Verfahren, inhaltlich orientiert an den materiellrechtlichen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts, vorgenommen hat (vgl BVerwG vom 1.12.1998 - 5 C 17/97 = BVerwGE 108, 47). Solange sich die Gesamtentscheidung an diesen Maßstäben orientiert, ist die Schiedsstelle auch berechtigt, einzelne der - u. U. sehr zahlreichen - Streitpunkte eher summarisch abzuhandeln.
5. Zum rückwirkenden Inkrafttreten einer Schiedsstellenentscheidung.
Nachgehend
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Vereinbarung von Pflegesätzen für die stationäre Pflegeeinrichtung der Klägerin zu 2) für das Jahr 1999.
Die Klägerin zu 2) nahm im Herbst 1998 die Verhandlungen mit der Klägerin zu 1) und den Beigeladenen auf, um für das Jahr 1999 neue Pflegesätze zu vereinbaren. Die Klägerin zu 1) und die Beigeladenen boten der Klägerin zu 2) an, ab 01.01.1999 Pflegesätze auf der Basis des Schiedsspruches für 1998 zuzüglich 3% zu zahlen. Die Verhandlungen scheiterten. Die Klägerin zu 2) stellte am 15.12.1998 bei der Beklagten einen Antrag auf Schiedsstellenentscheidung und beantragte, folgende Pflegesätze festzusetzen:
Pflegestufe I: 91,83 DM
Pflegestufe II: 119,78 DM
Pflegestufe III: 147,80 DM
Unterkunft und Verpflegung: 38,84 DM
Die Beigeladene zu 2) wiederholte mit Schriftsatz vom 13.01.1999 das Angebot der Pflegekassen und der beteiligten Sozialhilfeträger, ab 01.01.1999 Pflegesätze in Höhe von 3% oberhalb des für 1998 geltenden Schiedsspruches zu zahlen. Daraus resultierten folgende Pflegesätze:
Pflegestufe I: 71.01 DM
Pflegestufe II: 92,33 DM
Pflegestufe III: 127,83 DM
Unterkunft und Verpflegung: 42,20 DM
Zur Begründung erläuterte die Beigeladene zu 2), dass die von der Klägerin zu 2) vorgelegten Kalkulationen erhebliche Fehler aufwiesen bzw. die Berechnungen von für die Pflegekassen und Sozialhilfeträger ungünstigen Annahmen ausgingen. Es bestehe ein Spielraum für die Erhöhung der Entgelte nur im Rahmen der unabweislichen Kostensteigerungen, die sich im Wesentlichen nur aus der Anpassung der Altenpflegeumlage und den Tarifsteigerungen zusammensetzen könnten. Das diesbezügliche Volumen sei mit maximal 3% anzunehmen. Im Übrigen enthalte die von der Klägerin zu 2) vorgelegte Pflegesatzkalkulation zahlreiche Ungereimtheiten. Die Kosten für Leitung und Verwaltung sowie für den Wirtschaftsdienst erschienen unter Berücksichtigung der vorhandenen Pflegeplätze und des daraus resultierenden Personalschlüssels überhöht. Der Ansatz "Handwerkerleistungen ohne Material" sei entweder dem Posten "Anschaffungs- und Herstellkosten" oder "Instandhaltungskosten" zuzuschlagen, die nach den Vorschriften des SGB XI gar nicht in die Pflegesätze einbezogen werden könnten. Allenfalls könnten Kosten für einen technischen Dienst berücksichtigt werden, dafür seien indessen unter Berücksichtigung eines realistischen Personalschlüssels erheblich geringere Aufwendungen anzusetzen. Ferner habe die Klägerin zu 2) den Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherungsbeiträge der Beschäftigten zu hoch angesetzt. Diese überhöhten Ansätze machten insgesamt ein Volumen von etwa 790.000 DM aus. Im Hinblick auf die betreuten Wachkomapatienten sei davon auszugehen, dass sie ohne Besonderheiten in die Kalkulation der Pflegesätze einzubeziehen und keineswegs besondere Vergütungen vorzusehen seien.
Die Beigeladene zu 1) wies in ihrem Schriftsatz vom 18.1.1999 darauf hin, dass die Klägerin zu 2) mit einer Auslastung von nur 95% ge...