Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung im Nachbesetzungsverfahren - Vertragsarzt - Medizinisches Versorgungszentrum

 

Orientierungssatz

1. Bei der offensiven Konkurrentenklage, bei der mehrere Bewerber um die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung streiten, welche nur einmal zu vergeben ist, folgt die Anfechtungsbefugnis aus der Grundrechtsbetroffenheit jedes Bewerbers (BSG Urteil vom 7. 2. 2007, B 6 KA 8/06 R).

2. Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Zulassungsgremien über die Erteilung einer Zulassung im Nachbesetzungsverfahren ist § 95 Abs. 1, 2 SGB 5 i. V. m. § 103 Abs. 4, 4c SGB 5.

3. Dem Zulassungsausschuss ist eine Liste der eingehenden Bewerbungen zur Verfügung zu stellen. Unter mehreren Bewerbern hat der Zulassungsausschuss nach weiterer Maßgabe der Sätze 5 bis 11 des § 103 SGB 5 den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen.

4. Immanenter Bestandteil der Auswahl zwischen konkurrierenden Zulassungsbewerbern in der vertragsärztlichen Versorgung ist die Beurteilung der Ärzte anhand zahlreicher persönlicher Angaben. Auch bei Bewerbungen von Medizinischen Versorgungszentren ist bei der Auswahlentscheidung zur Besetzung des Sitzes auf die Qualifikation des anzustellenden Arztes abzustellen.

5. Um die Bewertung eines Medizinischen Versorgungszentrums bei der Nachbesetzung zu berücksichtigen, bedarf es der namentlichen Benennung eines Arztes (BSG Urteil vom 13. 5. 2020, B 6 KA 11/19). Fehlt diese, so ist der Zulassungsantrag zurückzuweisen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.01.2018 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zulassung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung für den von der Beigeladenen zu 7. ausgeschriebenen Vertragsarztsitz des Herrn Dr. I.

Die Klägerin betreibt ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Die Gesellschafter sind ausschließlich Ärzte, die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind. Die Klägerin ist in überörtlicher Berufsausübungsgemeinschaft mit zwei weiteren MVZ mit Standorten in Unna und Dortmund tätig.

Der 1950 geborene Dr. I war seit dem 7. Mai 1992 - zuletzt unter der Praxisanschrift C-Straße 200 in Castrop-Rauxel - zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er war seither als Arzt fachärztlich - wechselnd im Rahmen einer Einzel- oder Gemeinschaftspraxis - tätig. Eine Facharzt- und Schwerpunktbezeichnung führte er nicht. Er unterhielt zuletzt seit August 2010 zusammen mit Herrn Dr. L S, Facharzt für Innere Medizin, eine nephrologische Gemeinschaftspraxis mit Dialysezentrum, welche als GbR geführt wurde. Die vertragsärztliche Zulassung des Dr. S war dabei als eine an die Zulassung des Dr. I gekoppelte Sonderbedarfszulassung erteilt worden. Sowohl Dr. I als auch sein Partner hatten zusätzlich zwei Versorgungsaufträge Dialyse gemäß § 3 Abs. 3a der Anlage 9.1 des Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) inne. Der Zulassungsausschuss der Ärzte und Krankenkassen für den Regierungsbezirk Münster (im Folgenden: ZA) entzog Dr. I mit Ablauf des 26. April 2016 seine vertragsärztliche Zulassung (Beschluss des ZA vom 26. April 2016, ausgefertigt als Bescheid am 4. Mai 2016). Mit Wirkung ab dem 30. September 2016 wurde über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Insolvenzverwalterin ist die Beigeladene zu 10. bestellt.

Mit am 10. Mai 2016 beim ZA eingegangenem Schreiben beantragte Herr Dr. I hinsichtlich seines Vertragsarztsitzes (C-Straße 200/Castrop-Rauxel), der in der Raumordnungsregion Emscher-Lippe mit einem relevanten Versorgungsgrad von 214,7% (Stand: 2016) liegt, die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens.

Mit Beschluss vom 26. Juli 2016 ordnete der ZA die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für den Vertragsarztsitz C-Straße 200 in Castrop-Rauxel (Praxisabgeber: Dr. I) an.

Die Ausschreibung durch die Beigeladene zu 7) erfolgte in ihrem amtlichen Bekanntmachungsorgan (KVWLKompakt Nr. 8 vom 27. August 2016, S. 27) unter der Kennzahl "m5991" mit dem Text "Internistische Praxis in der ROR Emscher-Lippe (Kreis Recklinghausen)" (Abgabezeitpunkt: "sofort") und einer Bewerbungsfrist "bis zum 20.9.2016". Es erfolgte der Hinweis, dass aus datenschutzrechtlichen Gründen keine näheren Angaben gemacht werden könnten. Hierauf meldeten sich u.a. die Beigeladene zu 8), 9) und zu 11). Alle Bewerber - soweit bekannt - sind Fachärzte für Innere Medizin, Schwerpunkt Nephrologie.

Die Klägerin bewarb sich mit einem am 30. August 2016 bei der Beigeladenen zu 7) eingegangenem Schreiben um die Praxisnachfolge ("Bewerbung auf einen ausgeschriebenen Vertragsarztsitz" ≫...≪ "mit einem angestellten Arzt").

Die Beigeladene zu 7) teilte der Klägerin mit, dass ihre Bewerbung an den P...

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