Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Antrag auf Zulassung. Umfang der Ermittlungspflicht bezüglich des qualifikationsbezogenen Sonderbedarfs als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. fehlende Eindeutigkeit des ermittelten Sachverhalts zur Versorgungslage. Pflicht zur Befragung von niedergelassenen Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin sowie der regionalen Terminservicestellen

 

Orientierungssatz

1. Nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 5 iVm § 37 der Bedarfsplanungsrichtlinie (juris: ÄBedarfsplRL) setzt ein qualifikationsbezogener Sonderbedarf voraus, dass aufgrund von Besonderheiten des maßgeblichen Planungsbereichs ein zumutbarer Zugang der Versicherten zur vertragsärztlichen Versorgung nicht gewährleistet ist und aufgrund dessen Versorgungsdefizite bestehen, § 36 Abs 4 S 3 ÄBedarfsplRL.

2. Bei der Bewertung der Versorgungslage nach § 36 Abs 3 Nr 1 ÄBedarfsplRL (hier: vertragspsychotherapeutische Versorgung im Rahmen des Sonderbedarfs als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut) ist ua zu prüfen, welche Leistungserbringer in zumutbarer Entfernung und mit zumutbaren Wartezeiten Leistungen der Psychotherapie in dem maßgeblichen Richtlinienverfahren anbieten.

3. Ergibt sich im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens einer unzureichenden Versorgungslage, so ist es geboten, die in der Versorgungsregion niedergelassenen Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin sowie die regionale Terminservicestelle nach ihren Erkenntnissen über die Bedarfslage und die Wartezeiten auf Leistungen der tiefenpsychologisch fundierten Kinder- und Jugendpsychotherapie zu befragen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 20. Juli 2018 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst zu tragen haben.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 126.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Rahmen des Sonderbedarfs als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (Richtlinienverfahren tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) in C.

Die am 00.00.1971 geborene Klägerin verfügt über einen Hochschulabschluss als Dipl.-Heilpädagogin (Dipl.-Urkunde der Universität L1 von Juni 1997) sowie eine Qualifikation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin mit vertiefter Ausbildung in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie (Zeugnis der Bezirksregierung E von April 2013). Die Bezirksregierung L1 erteilte ihr am 16. Mai 2013 die Approbation als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Die Klägerin ist seit Juni 2013 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin im Arztregister des Zulassungsbezirks der Beigeladenen zu 5) mit der Schwerpunktbezeichnung "analytische und/oder tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie" eingetragen (Arztreg.-Nr. 000).

Am 2. Oktober 2013 beantragte die Klägerin bei der örtlich zuständigen Bezirksstelle des Zulassungsausschusses für Ärzte - Kammer Psychotherapie - eine Sonderbedarfszulassung als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin für die "Stadt C, Stadt I, Stadt X, Stadt G, Stadt F und Stadt L2" im Umfang eines vollen Versorgungsauftrages. Es sei zur Sicherstellung einer psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen in C und Umgebung unerlässlich, eine tiefenpsychologisch fundierte Behandlung bereitzustellen. Zur Begründung verwies die Klägerin u.a. auf eine Erklärung des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin Dr. I1, C, vom 24. September 2013, der eine unzureichende Versorgungslage im Bereich ambulanter Psychotherapie für Kinder und Jugendliche in C bestätigte und erklärte, ausschließlich mit Erwachsenen zu arbeiten. In C lebten 46.807 Einwohner; 8.962 davon seien Kinder und Jugendliche im Alter bis zu 21 Jahren. Diese würden in C ausschließlich sozialpsychiatrisch, ärztlich und verhaltenstherapeutisch versorgt. Der Versorgungsanspruch der dort lebenden Kinder und Jugendlichen hinsichtlich tiefenpsychologisch fundierter Behandlungsmöglichkeiten sei nicht gewährleistet (Verweis auf Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. Juni 2010 - B 6 KA 22/09 R -).

Sie habe sich mit verschiedenen Institutionen der psychosozialen Hilfe sowie mit ärztlichen Leistungserbringern in C und den Nachbargemeinden in Verbindung gesetzt. Dort habe man ihr bestätigt, dass es einen ungedeckten Bedarf an psychotherapeutischer Versorgung gebe. Sie behandle gesetzlich Versicherte im Rahmen der Kostenerstattung und beabsichtige, ihre Tätigkeit im Rahmen der vertragspsychotherapeutischen Versorgung fortzuführen. Hierbei habe sie insbesondere Kinder und Jugendliche im Blick, die aufgrund der psychosozialen und materiellen Situation der Familie eines niederschwelligen Zugangs zur psychotherapeutischen Versorgung bedürften. Zur Begründung verwies sie ergänzend auf eine im Verfahren d...

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