Entscheidungsstichwort (Thema)
Transferkurzarbeitergeld. Erfüllung der betrieblichen Voraussetzungen. Personalanpassungsmaßnahmen. Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigungen. nicht ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats. betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit. nur ein Arbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Das Vorliegen der für die betrieblichen Voraussetzungen einer Gewährung von Transferkurzarbeitergeld erforderlichen Personalanpassungsmaßnahmen auf Grund einer Betriebsänderung setzt nicht voraus, dass die infolge der Betriebsänderung ausgesprochen Kündigungen wirksam sind (hier: Unwirksamkeit der Kündigungen wegen nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats).
Es ist ferner unschädlich, dass aufgrund dieser Umstände im Ergebnis nur ein Arbeitnehmer in die zur Vermeidung von Entlassungen eingerichtete betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit (beE) wechselt, solange und soweit diese während ihrer Existenz auch anderen Arbeitnehmern offensteht.
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.03.2015 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung der betrieblichen Voraussetzungen für die Gewährung von Transfer-Kurzarbeitergeld im Zeitraum Mai bis Dezember 2009 in Höhe von 10.446,87 EUR streitig.
Die Klägerin, die ihren Sitz in E hat, führt Transfermaßnahmen für von Betriebsänderungen in Unternehmen betroffene Arbeitnehmer durch.
Am 07.05.2009 zeigte die Klägerin der Beklagten an, dass bei ihr in der Zeit vom 01.05.2009 bis zum 30.04.2010 eine betriebsorganisatorische, eigenständige Einheit (beE) für einen Arbeitnehmer der Firma P, Zweigniederlassung F/G (Landkreis H/Baden-Württemberg), der P Textile GmbH & Co. KG (deutsche Tochter eines schweizerischen Herstellers von Textilmaschinen mit Sitz in S) eingerichtet werden sollte. Der Arbeitnehmer H - nachfolgend G. -, der als Monteur am Standort F im Bereich "Sales/After Sales" beschäftigt war, sei von Arbeitsausfall betroffen, da sein Beschäftigungsbetrieb durch Personalabbau eingeschränkt werde. Es sei die Entlassung von 16 Arbeitnehmern infolge der Betriebsänderung beabsichtigt.
Hierzu legte die Klägerin einen Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Gesamtbetriebsrat vom 19.12.2008 vor, welcher diverse Umstrukturierungsmaßnahmen in verschiedenen Betrieben der P Textile GmbH & Co. KG für die Standorte N, F und V vorsah, die im Laufe der Jahre 2009 und 2010 umgesetzt werden sollten, insbesondere Verlagerungen und Teilstilllegungen. Am Standort F waren insgesamt 287 Arbeitnehmer beschäftigt, 98 in der Abteilung "Sales/After Sales".
Nach diesem Gesamt-Interessenausgleich waren für den Standort F - bezogen auf den 30.09.2008 - insgesamt 70 betriebsbedingte Beendigungskündigungen, 21 Versetzungen/Änderungskündigungen sowie noch einmal 86 standortübergreifende Versetzungen/Änderungskündigungen geplant. Es sollten den vom Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmern an allen deutschen Standorten des Unternehmens - so auch für die Betriebseinheiten "Sales/After Sales" - angeboten werden, in eine betriebsorganisatorische eigenständige Einheit - beE (Transfergesellschaft, mit deren Führung und Verwaltung die Klägerin von der Arbeitgeberin beauftragt wurde) zu wechseln. Für den Bereich "Sales/After Sales" waren allein am Standort F 22 Beendigungskündigungen, 2 Versetzungen/Änderungskündigungen sowie 36 standortübergreifende Versetzungen/Änderungskündigungen von Arbeitnehmern vorgesehen, d.h. es waren dort insgesamt 60 Arbeitnehmer betroffen. Tatsächlich wurden 60 Arbeitnehmer am Standort F betriebsbedingt gekündigt, von denen 59 hiergegen - erfolgreich - Kündigungsschutzklagen erhoben haben und nur einer - der Arbeitnehmer G. - in die beE wechselte. Die Kündigungen waren nach Auffassung des Arbeitsgerichts wegen jeweils nicht ordnungsgemäßer Anhörung des örtlichen Betriebsrats unwirksam.
Mit Schreiben vom 13.08.2009 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die betroffenen Arbeitnehmer bis auf eine Person (der Arbeitnehmer G.) Kündigungsschutzklage erhoben hätten, so dass der Antrag derzeit nur abgelehnt werden könne, weil das Gros der Arbeitnehmer nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sei. Die Klägerin vertrat dagegen die Auffassung, dass allein die Erhebung einer Kündigungsschutzklage die drohende Arbeitslosigkeit nicht abwende und im Übrigen der Arbeitnehmer, der - wie hier - nicht Klage erhoben habe, die Leistungsvoraussetzungen erfülle (Schreiben vom 23.10.2009).
Mit Bescheid vom 30.10.2009 wies die Beklagte die Anzeige der Klägerin über Arbeitsausfall mit der Begründung zurück, ein - wie hier - reiner Personalabbau sei nur dann eine Betriebsänderung, wenn die in § 17 des Kündigungsschutzgesetzes - (KSchG) genannte Größenordnung erreicht werde, was vorliegend erst der Fall sei, wenn mehr als 25 Arbeitnehmer betroffen seien. Tatsächlich sei nur ein Arbeit...