Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach vorherigem Bezug von Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Bei der Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 37 SGB 6 handelt es sich, wenn zuvor eine Erwerbsminderungsrente bezogen wurde, um eine Folgerente und nicht um eine Erstrente. Deshalb ist der Zugangsfaktor in einem solchen Fall nicht zu erhöhen.
2. Nach § 77 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 SGB 6 wird der Zugangsfaktor für Entgeltpunkte, die Versicherte bei einer Rente wegen Alters nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht.
3. Der Zugangsfaktor als ein Faktor für die Berechnung des monatlichen Zahlbetrags der Rente richtet sich nach dem Alter des Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang Entgeltpunkte bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente als persönliche Entgeltpunkte zu berücksichtigen sind.
4. Beginnt die Rente mit Erreichen einer allgemeinen oder persönlichen Regelaltersgrenze, so besteht Anspruch auf die volle Rente. Wird die Rente vor Erreichen dieser Grenze vorzeitig in Anspruch genommen, fällt sie geringer aus; wird sie erst danach in Anspruch genommen, so ist sie gemäß § 77 Abs. 2 SGB 6 höher. Hat der Versicherte eine Zeitrente wegen voller Erwerbsminderung über den gesamten Dreijahreszeitraum nahtlos bis zum Beginn seiner Altersrente bezogen, so führt dies nicht dazu, dass ihm die volle Altersrente für schwerbehinderte Menschen gewährt wird.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 16.11.2012 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen.
Die Beklagte bewilligte dem am 00.00.1949 geborenen Kläger zunächst Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (Bescheid vom 21.12.2004) und ab dem 1.12.2005 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer in Höhe von zunächst (brutto) EUR 857,76 (Bescheid vom 26.1.2007). Bei der Berechnung der Renten legte sie wegen der Inanspruchnahme einer Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze einen um 36 x 0,3 % = 10,8 % verminderten Zugangsfaktor zugrunde, sodass bei der zuletzt gewährten Rente wegen voller Erwerbsminderung von 36,8012 Entgeltpunkten (EP) für den Zeitraum vom 1.8.1972 bis 31.3.2004 nur 32,8266 persönliche Entgeltpunkte (pEP) berücksichtigt wurden. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung bezog der Kläger durchgehend bis zum 31.1.2012.
Ab dem 1.2.2012 (also ab dem Monat nach Vollendung des 63. Lebensjahres) gewährte die Beklagte dem Kläger anstelle der Rente wegen voller Erwerbsminderung antragsgemäß Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Höhe von zunächst brutto EUR 901,93 Die Anspruchsvoraussetzungen für diese Rente seien ab dem 12.1.2009 erfüllt. Zur Ermittlung der pEP führte sie aus, EP, die bereits Grundlage einer früheren Rente gewesen seien, behielten den Zugangsfaktor der früheren Rente. Dies treffe für den Kläger insoweit zu, als bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung pEP in Höhe von 32,8266 zugrunde gelegt worden seien. Dazu seien 0,0067 neue EP zu addieren, die der früheren Rente noch nicht zugrunde gelegen haben und deshalb mit einem Zugangsfaktor von 1,0 (d. h. vollständig) als pEP berücksichtigt werden. Insgesamt ergeben sich damit 32,8333 pEP (Bescheid vom 9.12.2011). Mit seinem Widerspruch beanstandete der Kläger den gekürzten Zugangsfaktor. Er nehme die Altersrente für schwerbehinderte Menschen erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres - also nicht vorzeitig - in Anspruch. Insoweit regele § 77 Abs 3 Satz 2 Ziffer 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), dass der Zugangsfaktor für EP, die Versicherte bei einer Rente wegen Alters nicht mehr vorzeitig in Anspruch genommen haben, um 0,003 je Kalendermonat erhöht werde. Dies treffe bei ihm für volle drei Jahre zu, so dass für alle EP (wieder) ein Zugangsfaktor von 1,0 zugrunde zu legen sei. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen der angefochtene Bescheid fehlerhaft sein solle (Widerspruchsbescheid vom 23.2.2012).
Mit seiner Klage vom 23.3.2012 hat der Kläger "Altersrente für schwerbehinderte Menschen ohne Rentenabschlag (verminderter Zugangsfaktor)" begehrt. Er hätte die Altersrente für schwerbehinderte Menschen bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres beantragen können, habe dies jedoch erst nach Vollendung des 63. Lebensjahres getan.
Die Beklagte hat ihre Entscheidung weiter für rechtmäßig gehalten.
Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, hat das Sozialgericht (SG) die Klage abgewiesen: Fehler in der Rentenberechnung seien nicht zu erkennen. Die Sonderregelung des § 77 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB VI sei nicht einschlägig, weil der Kläger bis zum Beginn der streitigen Altersrente eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen habe (Urteil vom 16.11.2012, den Bevollmächtigten des Klägers ...