Dr. Gerlind Wendt, Michael Wendt
Leitsatz
Wurde vor In-Kraft-Treten des § 8 Abs. 4 KStG zugleich mit dem Verlustmantel einer GmbH eine gegen diese gerichtete nicht mehr werthaltige Forderung erworben, kann dieser Vorgang nach § 42 AO wie der Erwerb von GmbH-Anteilen nach vorherigem Forderungsverzicht des Gläubigers der GmbH zu behandeln sein.
Normenkette
§ 42 AO , § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Die Altgesellschafter der klagenden GmbH & Co. KG erwarben im Wege eines Mantelkaufs 1988 sämtliche Anteile an einer GmbH mit einem Verlustvortrag von über 5 Mio. DM von der alleinigen Anteilseignerin. Die GmbH hatte zu diesem Zeitpunkt nur noch Schulden gegenüber zwei Gläubigern. Beide Forderungen erwarben die Altgesellschafter der Klägerin, und zwar eine kleine Forderung etwa zum Nennwert und die Forderung des Hauptgläubigers der GmbH mit einem Nennwert von ca. 5,2 Mio. DM zu einem Preis von 25 000 DM. Inhaber dieser Forderung war der Vater der Anteilseignerin. Anschließend übertrugen die Altgesellschafter der Klägerin 99 % ihrer Anteile am Festkapital der KG auf die GmbH. Als Hauptgesellschafterin bezog die GmbH den größten Teil des Gewinns der KG. Daraus leistete sie Zahlungen an ihre Anteilseigner. Da diese zugleich Inhaber der Forderungen waren, behandelte die GmbH die Zahlung nicht als Gewinnausschüttung, sondern als Tilgung auf die Forderung. Das FA sah die Zahlungen jedoch als Sonderbetriebseinnahmen der KG-Gesellschafter an, soweit sie die Anschaffungskosten der Forderungen überstiegen, denn die Forderungen seien Sonderbetriebsvermögen der Altgesellschafter. Dieser Meinung schloss sich das FG an.
Entscheidung
Im Ergebnis bestätigte der BFH diese Handhabung, kam dazu aber mit einer anderen Begründung. Die Anteile der Altgesellschafter an der GmbH seien notwendiges Sonderbetriebsvermögen II, denn über die Beteiligung an der GmbH seien die Altgesellschafter in der Lage gewesen, weiterhin die Geschicke der KG zu beeinflussen. Dabei sei unerheblich, dass die KG-Anteile der Gesellschafter weniger als 1 % des Festkapitals ausgemacht hätten.
Ob die Darlehen an die GmbH ebenfalls Sonderbetriebsvermögen seien, brauche nur entschieden zu werden, wenn man annehme, dass die Altgesellschafter Darlehen zu einem über dem Nennwert liegenden Preis erworben hätten. Daran fehle es jedoch. Die Übertragung der Hauptforderung müsse nach § 42 AO als Forderungsverzicht behandelt werden. Die Forderung sei wertlos gewesen. Dem wirtschaftlichen Ziel, von der Forderung unbelastete Anteile an der GmbH zu erwerben, hätte danach ein Forderungsverzicht gegen Zahlung des Betrags von 25 000 DM entsprochen. Für die Besteuerung sei von dieser angemessenen Gestaltung auszugehen. Dann stellten sich die Zahlungen an die Anteilseigner als Gewinnausschüttung dar, die zu Sonderbetriebseinnahmen in der KG führten. Ob diese noch um das KSt-Anrechnungsguthaben zu erhöhen wären, könne wegen des Verböserungsverbots offen bleiben.
Der Mantelkauf an sich bleibe anzuerkennen, so dass kein Widerspruch zu der diesbezüglichen Rechtsprechung des BFH und der im Streitfall erteilten Zusage der Finanzverwaltung bestehe.
Hinweis
1. Das Urteil hat insoweit keine unmittelbar aktuelle Bedeutung, als es einen Mantelkauf vor In-Kraft-Treten des § 8 Abs. 4 KStG betrifft. Für nach dem 23.6.1988 abgeschlossene Geschäfte kommt die Nutzung des Verlustvortrags nur noch bei wirtschaftlicher Identität der Körperschaft in Betracht. Das hier gewählte Modell wäre nach dem Stichtag bereits an dieser Voraussetzung gescheitert. Eine weitere Verschärfung hat sich ab 1997 durch den neu gefassten § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG ergeben, wonach auch bei Fortführung des Geschäftsbetriebs die wirtschaftliche Identität fehlen kann.
Das Besprechungsurteil erkennt den Kauf des Verlustmantels für die Zeit vor dem 23.6.1988 an und bleibt damit bei der vom I. Senat des BFH vorgezeichneten Linie. Es verhindert aber, dass die von der Kapitalgesellschaft durch Verlustausgleich steuerfrei erwirtschafteten Gewinne auch steuerfrei an die Gesellschafter ausgeschüttet werden können. Das wäre nur bei "Tarnung" der Ausschüttung als Darlehensrückzahlung möglich gewesen.
2. Bemerkenswert und aktuell bedeutsam ist die Entscheidung aber deshalb, weil der BFH hier § 42 AO angewendet hat. Von dieser Vorschrift wird nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht, was im Schrifttum überwiegend positiv bemerkt worden ist. Das hat aber die Folge, dass der Gesetzgeber aus seiner Sicht missbräuchliche Gestaltungen durch gesetzliche Regelungen zu vermeiden versucht, die nicht selten weit über das Ziel hinausschießen. Bekannte Beispiele sind neben der hier einschlägigen Regelung zum Mantelkauf etwa § 2b EStG (Verlustzuweisungsgesellschaften) oder § 4 Abs. 4a EStG (Mehrkontenmodell), neuerdings wohl auch z.B. § 6 Abs. 5 Satz 5 (Verlagerung stiller Reserven auf Körperschaften). Solche Fehlentwicklungen ließen sich ggf. vermeiden, wenn die Rechtsprechung selber missbräuchliche Gestaltungen durch entsprechende Gesetzesauslegung unattraktiv machen würde. Ein Exempel dafür ist der h...