Leitsatz
1. Eine Beratungstätigkeit, die sich auf alle Fragen des Marketing und damit auf einen Hauptbereich der Betriebswirtschaft erstreckt, kann mit der Tätigkeit eines beratenden Betriebswirts i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vergleichbar sein. Beinhaltet die Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen aber nicht nur diese Beratung, sondern auch Tätigkeiten, die isoliert betrachtet als gewerblich anzusehen wären, muss die Beratung den Schwerpunkt der gesamten Tätigkeiten bilden, um insgesamt als freiberufliche Tätigkeit zu gelten.
2. Ein Autodidakt hat dabei außerdem Kenntnisse nachzuweisen, die dem Niveau eines "Staatlich geprüften Betriebswirts" an einer Fachschule entsprechen. Genügen diese Kenntnisse in nur einem Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre nicht den Anforderungen, die in einer entsprechenden Abschlussprüfung verlangt werden, so ist dies unschädlich, wenn der Steuerpflichtige mit seinen Kenntnissen in den anderen Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre insgesamt eine entsprechende Abschlussprüfung bestehen würde.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG , § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG
Sachverhalt
Während seiner 30-jährigen Berufstätigkeit hatte sich der Kläger vom Industriekaufmann zum Prokuristen eines Unternehmens von 450 Mitarbeitern, das zu einem internationalen Konzern gehörte, hochgearbeitet. Dabei hatte er sich auf Umweltfragen der Verpackungsindustrie spezialisiert und war zu einem auch international bekannten Experten auf diesem Gebiet geworden. Nach Aufgabe der Prokuristenstellung war der Kläger selbstständig als Berater, Lobbyist und Öffentlichkeitsarbeiter in Umweltfragen für die Einwegverpackungsindustrie tätig.
Das FA behandelte die Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb, während der Kläger sich als Freiberufler in Gestalt eines beratenden Betriebswirts sah. Das FG stimmte der Auffassung des Klägers zu.
Entscheidung
Die Entscheidung Der BFH hielt den Sachverhalt noch nicht für genügend aufgeklärt, um über die Einordnung der Tätigkeit entscheiden zu können. Er hob das Urteil auf und verwies das Verfahren an das FG zurück.
Hinweis
1. Die Abgrenzung freiberuflicher von gewerblicher Tätigkeit hat augenscheinlich Konjunktur. Der BFH musste in den beiden vergangenen Jahren zahlreiche Streitfälle entscheiden. Die erst seit 2001 geltende GewSt-Anrechnung nach § 35 EStG wird ihre voraussichtlich befriedende Wirkung erst in Zukunft entfalten können. Sollten die Freiberufler in eine "revitalisierte" GewSt oder eine andersartige, den Gemeinden zustehende Steuer mit einbezogen werden, wird sich der Streit weitgehend erledigen. Es kann dann wohl nur noch um Fragen der Gewinnermittlungsart sowie die daran geknüpften Folgen gerungen werden.
2. Mittlerweile ist geklärt, dass sich ein Autodidakt die Anerkennung als Freiberufler in einem Beruf, der einem Beruf des Katalogs in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ähnlich ist, auf zwei Wegen verschaffen kann:
a) Er kann praktische Arbeiten aus seiner Berufstätigkeit vorlegen. Ein Sachverständiger muss dann aus den vorgelegten Arbeiten entnehmen können, dass der Autodidakt die Kenntnisse eines Angehörigen des Katalogberufs in derselben Tiefe und Breite wie jener erworben hat. Dieser Nachweis ist in der Praxis kaum zu führen, denn wer ist schon auf allen Gebieten eines Katalogberufs praktisch tätig gewesen?
b) Die zweite Möglichkeit besteht darin, eine Wissensprüfung in Gestalt eines verspäteten Berufsexamens vor einem Sachverständigen abzulegen. Hierzu hat der BFH im Urteil vom 26.6.2002 (IV R 56/00, BFH-PR 2002, 449) klargestellt, dass die Prüfung nur durchgeführt werden muss, wenn der Kläger sie beantragt und nach Aktenlage nicht unwahrscheinlich ist, dass er über die erforderlichen Kenntnisse verfügt. Im hiesigen Urteil ergänzt der BFH dies mit dem Hinweis darauf, dass – ebenso wie in ausbildungsabschließenden Prüfungen – bei der Wissensprüfung einzelne Lücken nicht schaden.
3. Das FG hatte seine Entscheidung als sog. "Rüttel-Urteil" abgefasst, um die traditionelle Rechtsprechung des BFH zu katalogähnlichen Berufen ins Wanken zu bringen. Hierauf lässt sich der BFH nicht ein. Er hält insbesondere weiter daran fest, dass eine sog. Gruppenähnlichkeit des Berufs – also die Ähnlichkeit mit charakteristischen Merkmalen einer Gruppe von Katalogberufen – nicht ausreicht. Hier sieht sich der BFH durch die Rechtsprechung des BVerfG bestätigt. Zu dem Argument, die Rechtsprechung verhindere die Aufnahme neuer Berufe in den Kreis der Freiberufler, weist er darauf hin, dass die Merkmale des beratenden Betriebswirts offen für neuartige Beratungstätigkeiten seien.
Nicht bei jeder Berufsgruppe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gibt es freilich einen so offenen Tatbestand, so dass in der Tat der BFH die Ausweitung der freiberuflichen Tätigkeiten, insbesondere in den neuen Medien- und Kommunikationsberufen, verhindert. Die Ausweitung des Katalogs sieht der BFH aber als eine Aufgabe des Gesetzgebers an, der seit 1960 dort keine Veränderungen mehr vorgenommen hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Urte...