Mit der vom Rat am 18.2.2020 angenommenen Richtlinie (EU) 2020/285, die zum 1.1.2025 in nationales Recht umzusetzen ist (ein nationaler Gesetzentwurf dazu liegt noch nicht vor), wurde die bisherige Sonderregelung für Kleinunternehmen grundlegend reformiert. Gleichzeitig wurde die sog. Zusammenarbeits-Verordnung (EU) Nr. 904/2010 entsprechend angepasst. Nach der bisherigen Sonderregelung für Kleinunternehmen können nur Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die MwSt geschuldet wird, von der mit der Regelung einhergehenden Steuerbefreiung (oder Nichterhebung der MwSt) profitieren. Künftig können Kleinunternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind als in dem Mitgliedstaat, in dem die MwSt geschuldet wird, die Sonderregelung ebenfalls in Anspruch nehmen. Die bisher anders lautende Regelung in Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL wurde gestrichen.
Technische Kernelemente sind die unionsweite Festlegung eines Umsatzhöchstbetrages von 85.000 EUR, bis zu dem die Mitgliedstaaten kleine Unternehmen von der MwSt befreien können, sowie die Ausdehnung der nationalen Kleinunternehmerregelungen auf Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Damit bleibt es eine nationale Entscheidung, ob und in welcher Höhe (bis zum Maximalbetrag) Kleinunternehmen befreit werden. Gibt es aber eine solche Befreiung, steht sie unter denselben Bedingungen auch Unternehmen aus dem europäischen Ausland offen.
Mitgliedstaaten, die eine Steuerbefreiung nach Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL eingeführt haben, gewähren diese Steuerbefreiung auch für Umsätze, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmmer bewirkt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind (Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL):
- der Jahresumsatz dieses Steuerpflichtigen in der Union übersteigt 100.000 EUR nicht;
- der Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige nicht ansässig ist, übersteigt nicht den Schwellenwert, der in diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der Steuerbefreiung für in diesem Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige gilt.
Nach dieser Regelung muss Deutschland, da es eine Kleinunternehmergrenze kennt, die Kleinunternehmerregelung auch auf nicht in Deutschland, aber in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmer (auf deren Antrag im Ansässigkeitsstaat) anwenden, wenn der Jahresumsatz des Unternehmers in der gesamten Union nicht mehr als 100.000 EUR beträgt und der Jahresumsatz dieses Unternehmers in Deutschland nicht die in Deutschland geltende Kleinnunternehmerschwelle übersteigt. Ein in Deutschland ansässiger Kleinunternehmer darf aber (wenn er hinsichtlich seiner Umsätze in Deutschland den deutschen Schwellenwert nicht überschreitet) nach wie vor die deutsche Kleinunernehmerregelung anwenden, auch wenn sein Gesamtumsatz den unionsweiten Schwellenwert (100.000 EUR) übersteigt.