Leitsatz
Allein der Umstand, dass dem FA die Abtretung verschiedener Steuererstattungsansprüche durch mehrere Abtretungsanzeigen jeweils nach der Entstehung des betreffenden Erstattungsanspruchs angezeigt wird, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ein geschäftsmäßiger Forderungserwerb vorliegt.
Normenkette
§ 46 Abs. 2 AO , § 46 Abs. 3 AO , § 46 Abs. 4 AO
Sachverhalt
Der Fall Mit insgesamt vier Abtretungsanzeigen wurde dem FA in der Zeit von Mai bis August des folgenden Jahrs die Abtretung von Erstattungsansprüchen aus den Einkommensteuer-Veranlagungen für die vier gerade vergangenen Jahre angezeigt. Das FA war der Meinung, dass dem Zessionar die Erstattungsansprüche nicht zustünden, weil die Abtretungen gegen das Verbot des geschäftsmäßigen Erwerbs von Steuererstattungsansprüchen verstießen. Es erließ einen entsprechenden Abrechnungsbescheid gegen den Zessionar.
Dieser berief sich demgegenüber auf eine vier Jahre vorher (vor Beginn des ersten betroffenen Veranlagungszeitraums) von dem Zedenten abgegebene schriftliche Abtretungsvereinbarung, in der zur Sicherheit für private Darlehen mögliche Guthaben aus Einkommensteuererklärungen abgetreten worden seien.
Entscheidung
Allein daraus, dass die Abtretung mehrerer Erstattungsansprüche jeweils gesondert angezeigt worden ist, kann nicht auf die Geschäftsmäßigkeit des Erwerbs der betreffenden Forderungen geschlossen werden. Die Anzeige der Abtretung und die Abtretung selbst sind zu unterscheiden. Mehrere Abtretungsanzeigen können auf einem einzigen Erwerbsfall beruhen.
Der BFH hat daher das klageabweisende Urteil des FG, das allein wegen der Mehrzahl der Anzeigen Geschäftsmäßigkeit unterstellt hatte, aufgehoben und diesem aufgetragen, noch einmal zu prüfen, ob Anhaltspunkte für einen geschäftsmäßigen Erwerb der Einkommensteuererstattungsansprüche des Zedenten vorliegen.
Hinweis
1. Der geschäftsmäßige Erwerb von Erstattungs- oder Vergütungsansprüchen zum Zweck der Einziehung oder sonstigen Verwertung auf eigene Rechnung ist im Steuerrecht nicht zulässig (§ 46 Abs. 4 Satz 1 AO); die Abtretung eines steuerlichen Erstattungs- oder Vergütungsanspruchs ist in diesem Fall nichtig (§ 46 Abs. 5 Halbsatz 2 AO).
2. Geschäftsmäßig handelt, wer den Erwerb von Forderungen selbstständig und mit der Absicht, ihn zu wiederholen, ausübt, wofür z.B. vorformulierte Abtretungserklärungen oder eine Vielzahl von Erwerbsfällen innerhalb eines kurzen Zeitraums sprechen.
3. Eine formgerechte Abtretungsanzeige ist im Steuerrecht zwar Wirksamkeitsvoraussetzung und Tatbestandsmerkmal der Abtretung. Gleichwohl sind Anzeige der Abtretung und Abtretung nicht ein und dasselbe. Unterscheiden Sie vielmehr zwischen dem bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäft "Abtretung" und der steuerrechtlich erforderlichen Anzeige der Abtretung gegenüber dem Finanzamt, welche allerdings das bürgerliche Rechtsgeschäft (nicht nur im Verhältnis zum Finanzamt, sondern gegenüber jedermann) erst wirksam werden lässt.
4. Für die Frage, ob ein geschäftsmäßiger Forderungserwerb vorliegt, ist das bürgerlich-rechtliche Rechtsgeschäft entscheidend. Es kommt auf die Bewertung des Erwerbsvorgangs an, der den gegenüber dem Finanzamt abgegebenen ggf. mehreren Abtretungsanzeigen zugrunde liegt. Ob in Vollzug dieses Erwerbsvorgangs eine oder mehrere Abtretungsanzeigen abgegeben worden sind oder möglicherweise abgegeben werden mussten, ist für diese Bewertung ohne entscheidende Bedeutung! Diese Betrachtungsweise ist unbeschadet der eben dargestellten engen Verbindung von Abtretungsgeschäft und Anzeige, die bei Steuerforderungen besteht, schon deshalb geboten, weil anderenfalls künftige Steuerforderungen oftmals nicht wirksam abgetreten werden könnten, was nicht Sinn des Gesetzes ist.
Eine Abtretungsanzeige kann nämlich nach § 46 Abs. 2 AO wirksam erst nach der Entstehung des abgetretenen Anspruchs erfolgen. Sanktionierte man die Abgabe mehrerer aufeinander folgende Abtretungsanzeigen mit dem Verdikt des § 46 Abs. 4 Satz 1 AO, müsste eine Abtretung mehrerer künftig erst entstehender Steuererstattungsansprüche hieran scheitern, während z.B. die Abtretung einer Vielzahl bereits entstandener Steuererstattungsansprüche in einer Abtretungsvereinbarung (welche in einer Anzeige angezeigt werden könnte) unzweifelhaft zulässig ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 4.2.2005, VII R 54/04