1. Höhere Vergütung als nach der StBVV
Rz. 1
Der Grundsatz der Vertragsfreiheit hat Vorrang vor den Regelungen der StBVV, soweit Abweichungen zulässig sind. Es ist unter anderem zulässig, die Tätigkeit des StB anstelle von Wertgebühren mit höheren Zeitgebühren abzugelten (vgl. § 1 – Rz. 9). In der Literatur umstritten und in der Rechtsprechung zunächst nicht abschließend entschieden war, ob die Formerfordernisse des § 4 StBVV beachtet werden müssen, wenn bereits die angemessene Vergütung überschritten wird oder erst dann, wenn die gesetzliche Höchstvergütung überschritten wird. Der BGH hat in seinem Beschluss v. 07. 05. 2013 – IX ZA 1/13 entschieden, dass nur solche Vergütungsvereinbarungen der Schriftform bedürfen, die einen die gesetzliche Höchstvergütung übersteigenden Honoraranspruch begründen sollen.
Dabei ist die Überschreitung einer einzelnen gesetzlichen Gebühr rechtlich unerheblich (BGH v. 21. 09. 2000 – IX ZR 437/99, DStR 2000, 2196). Die Beurteilung richtet sich danach, ob die Erledigung der gesamten Angelegenheit den Obersatz der gesetzlichen Vergütung überschreitet.
Rz. 2
Bei allen Gebührenarten (Wert-, Zeit- und Betragsrahmengebühren) und auch beim Auslagenersatz (s. u. Rz. 5) ist die Vereinbarung einer höheren Vergütung gestattet. Vereinbarungen über die Erhöhung einzelner Teile der Vergütung können ebenfalls getroffen werden. Folgende Vereinbarungen über die Gebühren sind zum Beispiel einzeln oder nebeneinander zulässig:
- Höherer Gegenstandswert
- Höherer Gebührenrahmen (Zehntel-Satz), auch feste Vereinbarung des höchsten Rahmensatzes möglich
- Prozentualer Zuschlag zur Gebühr nach der StBVV
- Höhere Mindestgebühr
- Höherer Festbetrag bei Betragsrahmengebühr
- Höherer Stundensatz bei der Zeitgebühr als nach § 13 Abs. 1
- Mindeststundenzahl bei der Zeitgebühr
- Zeitgebühr zusätzlich zur Wertgebühr (z. B. für Reisezeiten).
Rz. 3
Die Vergütungsvereinbarung ist nur dann wirksam, wenn die Formvorschriften aus Abs. 1 vollständig eingehalten werden. Abs. 1 entspricht weitgehend den Regelungen in § 3a RVG und § 9a Abs. 3 Satz 2 StBerG. Die Erklärung des Auftraggebers bedarf der Textform. Textform bedeutet nach der Legaldefinition des § 126b BGB die Abgabe einer lesbaren Erklärung auf einem dauerhaften Datenträger, in der die Person des Erklärenden genannt ist. Telefax und E-Mail genügen den Anforderungen. Obwohl in § 126b BGB nicht (mehr) ausdrücklich gefordert, muss der Text den Abschluss der Erklärung in geeigneter Weise erkennbar machen (Ellenberger in Palandt, BGB, 80. Auflage 2021, § 126b Rz. 5) Zweckmäßig kann dafür eine eingescannte Unterschrift sein, es genügt aber auch ein Schriftzug "gez. Name". Mit der Erfüllung der strengeren Schriftform sind die Voraussetzungen der Textform ebenfalls erfüllt. Die Verbindung der Vollmacht mit einer Vergütungsvereinbarung ist unzulässig. Das frühere Verbot, wonach in einem Vordruck neben der Vergütungsvereinbarung keine anderen Erklärungen vorhanden sein dürfen, wurde hingegen bereits 2007 aus der Vorschrift herausgenommen. Eine Vergütungsvereinbarung ist also nicht schon deshalb unwirksam, weil das Schriftstück z. B. eine Gerichtstandvereinbarung für den Vergütungsanspruch enthält. Die Verwendung allgemeiner Auftrags- oder Geschäftsbedingungen i. S. v. §§ 305 ff. BGB in einer Vergütungsvereinbarung ist möglich. Für den in der Praxis üblichen Fall, dass der StB die Vergütungsvereinbarung verfasst, enthält § 4 Abs. 1 Satz 2 weitere vom StB einzuhaltende Formvorschriften. Die Vereinbarung muss als "Vergütungsvereinbarung" oder "in vergleichbarer Weise" (z. B. als "Honorarvereinbarung") bezeichnet werden. Zusätzlich muss die Vergütungsvereinbarung von anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt sein, indem sie in einem gesonderten und entsprechend gekennzeichneten Abschnitt geregelt sowie optisch eindeutig von den anderen im Vertragstext enthaltenen Bestimmungen abgegrenzt ist. Das bedeutet insbesondere eine scharfe drucktechnische Trennung bzw. Hervorhebung (vgl. BGH v. 03. 12. 2015 – IX ZR 40/15, DStR 2016, 1211; OLG Karlsruhe v. 20. 01. 2015 – 19 U 99/14 zu § 3a Abs. 1 Satz 2 RVG). Eine Vergütungsvereinbarung sollte auf den ersten Blick "ins Auge fallen". Nicht mehr erforderlich ist es, die Vergütungsvereinbarung von der Auftragserteilung deutlich abzusetzen. Gleichwohl kann es sinnvoll sein, die Vergütungsvereinbarung zur Einhaltung der Vorgaben in einem separaten Dokument zu verfassen. Weiterhin wird dem StB auferlegt, Art und Umfang des Auftrags in der Vereinbarung zu benennen. Dies gebietet der bezweckte Schutz des Auftraggebers, da der dem StB erteilte Auftrag in der Regel verschiedene Tätigkeiten umfasst. Nur durch eine genaue Leistungsbeschreibung ist für den Auftraggeber erkennbar, auf welche Leistungen sich die Vereinbarung einer höheren Vergütung bezieht.
Rz. 4
Ist die Vereinbarung wegen eines Verstoßes gegen die Formvorschriften unwirksam, hat der StB nur einen Anspruch auf die nach der StBVV angemessene Vergütung. Zur (hilfsweisen) Einforderung der gesetzlichen Vergütung ist eine Rechnungsstellung gem. ...