Leitsatz
1. Für die Abgabepflicht des Milcherzeugers kommt es nicht darauf an, ob der Mitgliedstaat die an die Gemeinschaft abzuführenden Abgaben bereits abgerechnet hat.
2. Der Ausschluss einer Saldierung auf Molkereiebene zwischen Erzeugern aus den alten und den neuen Bundesländern ist durch die besondere Situation der Milchwirtschaft in dem Gebiet der neuen Bundesländer gerechtfertigt. Er beruht auf einer ausreichenden gesetzlichen (gemeinschaftsrechtlichen) Grundlage.
3. Die §§ 8, 12 MOG stellen eine ausreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der MGV dar.
4. Die MGV ist nicht wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG nichtig.
Normenkette
Art. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 , Art. 3 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 , Art. 4 VO (EWG) Nr. 3950/92 , Art. 5 VO (EWG) Nr. 3950/92 , Art. 3 Abs. 1 und 3 VO (EWG) Nr. 536/93 , Art. 5 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 536/93 , Art. 6 VO (EWG) Nr. 536/93 , § 7b MGV , § 8 MOG , § 12 MOG , Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GG
Sachverhalt
Ein Milcherzeuger lieferte in den Milchwirtschaftsjahren 1997/1998 und 1998/1999 an die Molkerei über die für ihn festgesetzte Referenzmenge hinaus Milch unter der Erzeugernummer eines anderen Milcherzeugers. Er hatte diesem seine Milchkühe verpachtet. Die Kühe waren jedoch in seinem Betrieb verblieben, so dass er als abgabenrechtlich maßgeblicher Milcherzeuger anzusehen ist. Das HZA setzte deshalb gegen ihn – nach teilweiser Saldierung der Überlieferungen mit anderweit ungenutzten Referenzmengen – Milch-Garantiemengen-Abgaben fest.
Das FG wies die deswegen erhobene Klage ab. Die MGV verstoße nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG und verletze auch nicht das Zitiergebot. Eine weitergehende Saldierung als vom HZA zugunsten des Klägers vorgenommen, komme nicht in Betracht.
Der Kläger begehrte vom BFH die Zulassung der Revision insbesondere wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision nicht zugelassen, sondern in einer eingehend begründeten Beschwerdeentscheidung ausgeführt, dass die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt oder so klar und eindeutig zu beantworten seien, dass es ihretwegen keiner Revisionszulassung bedürfe. Auch die von der Beschwerde gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebrachten Einwände seien nicht "neu" oder so gewichtig, dass wegen bereits geklärter Fragen die Revision erneut zugelassen werden müsste.
Hinweis
1. Die Entscheidung des BFH, dass die Milch-Garantiemengenverordnung rechtsgültig ist und insbesondere weder das Zitiergebot noch den verfassungsrechtlichen Vorbehalt des Gesetzes verletzt, konnte nicht unerwartet kommen, nachdem der BFH bereits eine Fülle von Entscheidungen zu der Milch-Garantiemengenregelung getroffen hat und darin grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedenken nicht einmal angeklungen waren.
2. Beachten Sie, dass die Milch-Garantiemengenverordnung inzwischen durch die Zusatzabgabeverordnung ersetzt worden ist, deren Regelungen jedoch in weiten Bereichen denen der Milch-Garantiemengenverordnung gleichen. Für ihre Verfassungsmäßigkeit gilt daher das Gleiche wie in der Besprechungsentscheidung zur Milch-Garantiemengenverordnung ausgeführt. Einzelne Regelungen, insbesondere zur Möglichkeit der Übertragung von Referenzmengen bedürfen aber möglicherweise einer verfassungsrechtlichen Überprüfung.
3. Die Milch-Garantiemengen werden von der Gemeinschaft bekanntlich für die Mitgliedstaaten festgesetzt und von diesen – unter Zuhilfenahme nationalstaaatlicher Regeln – auf die Milcherzeuger als betriebsbezogene Referenzmengen aufgeteilt. Bei deren Überschreitung durch Milchlieferungen des jeweiligen Betriebs werden hohe Abgaben auf die Überlieferungsmenge erhoben. Wegen der Wiederherstellung der deutschen Einheit ist die deutsche Garantiemenge seinerzeit großzügig aufgestockt worden, wobei – in gewisser Weise systemfremd – diese deutsche Garantiemenge in einer Fußnote zu der betreffenden Gemeinschaftsregelung auf das Gebiet der alten Länder einerseits und der neuen Länder andererseits aufgeteilt worden ist.
In den ersten Jahren nach Wiederherstellung der deutschen Einheit sind die den Betrieben in den neuen Ländern aus vorgenannter (ost)deutscher Teil-Garantiemenge zugeteilten einzelbetrieblichen Referenzmengen von den dortigen Betrieben in weitem Umfang nicht ausgenutzt, d.h. nicht mit Milch beliefert worden. Unterlieferungen eines Betriebes werden im Allgemeinen von der Verwaltung gegen Überlieferungen anderer Betriebe, zunächst auf Molkereiebene, verrechnet ("saldiert"); die von dem überliefernden Betrieb durch Überschreitung seiner Referenzmenge an sich verwirkte Abgabe wird also nicht erhoben.
Dieses Saldierungsverfahren hat naturgemäß den Wunsch der Betriebe in den alten Ländern geweckt, dass ihre Überlieferungen auf Grund der Unterlieferungen in den neuen Ländern abgabefrei gestellt werden. Verwaltung und Rechtsprechung haben sich indes diesem Wunsch von Anfang an verschlossen: Di...