Leitsatz
1. Der Bundesgesetzgeber durfte der Zollverwaltung gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG die Prüfung der Einhaltung der Pflichten eines Arbeitgebers nach § 20 MiLoG übertragen.
2. Transportunternehmen mit Sitz im Ausland, deren Arbeitnehmer im Inland tätig sind, sind verpflichtet, eine Überprüfung der tatsächlich im Inland verrichteten Arbeiten nach dem MiLoG zu dulden.
Normenkette
§ 14, § 15 Satz 1 Nr. 1 und 2, § 17 Abs. 1 und 2, § 20 MiLoG, Art. 56 AEUV, Art. 1 Abs. 1 und 3 Buchst. a, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c RL 96/71/EG, Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b und c, Art. 10 Abs. 1 RL 2014/67/EU, Art. 9 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Art. 83, Art. 87 Abs. 3 Satz 2, Art. 108 Abs. 1 GG, § 2 Abs. 1 Nr. 6 (früher: Nr. 5), § 5 SchwarzArbG, § 1 Nr. 2 und 3, § 3, § 5a, § 12 FVG
Sachverhalt
In dem Verfahren (und in den Parallelverfahren VII R 35/18 und VII R 12/19) hatten ausländische Transportunternehmen Meldungen nach der Mindestlohnmeldeverordnung abgegeben und sog. grenzüberschreitende Transporte durchgeführt, bei denen entweder nur die Entladung oder aber nur die Beladung in Deutschland erfolgte. Teilweise war zwischen den Parteien auch streitig, ob überhaupt solche Transporte stattgefunden hatten oder ob die Fahrer des ausländischen Transportunternehmens nicht lediglich im sog. Transitverkehr tätig geworden waren, Deutschland also nur durchfahren hatten.
Zur Aufklärung dieser Fälle erließ das HZA unter Hinweis auf das MiLoG Prüfungsverfügungen und forderte die Arbeitgeber auf, Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen und Arbeitszeitaufzeichnungen etc. vorzulegen.
Dagegen klagte der ausländische Arbeitgeber und machte (u.a.) geltend, dass
- das MiLoG auf ausländische Transportunternehmen nicht anwendbar sei sowie
- wegen der Prüfungsbefugnisse des Zolls gegen die bundesstaatliche Kompetenzordnung, das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot und Unionsrecht verstoße.
Die Klage hatte Erfolg, soweit die Klägerin verpflichtet werden sollte, Firma und Anschrift ihrer jeweiligen Auftraggeber mitzuteilen. Im Übrigen hat das FG die Klage abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, Urteil vom 17.7.2018, 11 K 544/16, Haufe-Index 12024277). Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.
Entscheidung
Der BFH hat die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen zurückgewiesen.
Hinweis
1. Man meint zwar, der Streitfall betreffe Bereiche des Arbeitsrechts, weil es um Mindestlohn geht, sodass man sich fragen könnte, weshalb der BFH zuständig sein solle. Die Zuständigkeit ergibt sich jedoch aus §§ 36 Nr. 1, 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO, § 15 Satz 1 MiLoG i.V.m. § 23 SchwarzArbG. Letztere Norm eröffnet ausdrücklich den Finanzrechtsweg.
2. Durch das MiLoG wurde zum 1.1.2015 ein allgemeiner gesetzlicher Mindestlohn geschaffen. Im MiLoG sind Regelungen zu seiner Einhaltung und Überwachung enthalten. Der BFH stellt in seiner Entscheidung die Hintergründe der gesetzlichen Entwicklung dar, einschließlich der verfassungsrechtlichen Vorgaben.
3. Dabei beleuchtet er insbesondere auch die internationalen Aspekte und die damit in Zusammenhang stehenden Problemfelder der illegalen Beschäftigung und der Schwarzarbeit. Auf unionsrechtlicher Ebene sind die Freizügigkeit und die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs betroffen, womit sich der BFH ausführlich beschäftigt.
4. Im Kern ging es jedoch um die – von der Klägerin angezweifelte Zuständigkeit – des HZA zum Erlass der streitgegenständlichen Prüfungsanordnung.
Hierzu finden sich in der Entscheidung umfassende Ausführungen zu verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Vorgaben. In diesem Rahmen erachtete der BFH als evident:
- Das dringende Bedürfnis nach einer den Arbeitsmarkt überwachenden zentral gelenkten Bundesverwaltung,
- die mit eigenen Mittel- und Unterbehörden flächendeckend präsent und mit hoheitlichen Aufgaben vertraut ist,
- deren Beamte aufgrund ihrer Ausbildung sowohl Buchprüfungsfertigkeiten als auch Routine im Umgang mit Eingriffsbefugnissen besitzen und
- die über eigene Ermittlungskompetenzen sowie darüber hinaus auch über Erfahrungen bei der Aufklärung grenzüberschreitender Sachverhalte verfügen.
Die Zollverwaltung sei insoweit keine reine Steuerverwaltung, denn zur Verwaltung der Zölle gehörten untrennbar auch die zollamtliche Überwachung des Warenverkehrs über die Grenze und die Grenzaufsicht sowie Aufgaben aus dem Bereich der Wirtschaftsverwaltung, z.B. die Überwachung des Marktordnungsrechts.
5. Das Unionsrecht verwehrt es den Mitgliedstaaten nicht, ihre Rechtsvorschriften über Mindestlöhne oder die hierüber von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge auf alle Personen auszudehnen, die in ihrem Staatsgebiet – und sei es auch nur vorübergehend – eine unselbstständige Erwerbstätigkeit ausüben, und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist. Ebenso wenig verbietet es das Unionsrecht den Mitgliedstaaten, die Einhaltung dieser Regeln mit geeigneten Mitteln durchzusetzen. Die mit der Einführu...