Prof. Dr. jur. Tobias Huep
1 Aktuelle Situation
Das in der Vergangenheit bewährte System tarifvertraglicher (Mindest-)Lohnfindung ist in den letzten Jahren zunehmend unter Druck geraten. Durch das "Tarifautonomiestärkungsgesetz" wurden die Voraussetzungen der Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen modifiziert und der Anwendungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) erweitert. Schließlich hat der Gesetzgeber zum 1.1.2015 erstmals einen bundesweiten gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 EUR brutto je Zeitstunde für alle Arbeitnehmer eingeführt. Von 1.1.2022 bis 30.6.2022 betrug er 9,82 EUR, seit 1.7.2022 10,45 EUR. Seit dem 1.1.2024 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,41 EUR pro Zeitstunde. Die nächste Erhöhung erfolgt zum 1.1.2025 auf 12,82 EUR.
Damit kann sich ein Mindestlohnanspruch aus dem Gesetz ergeben, aber auch aus einem Tarifvertrag. Ein tarifvertraglicher Anspruch darf den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreiten.
2 Gesetzliche Regelungen
2.1 Grundsätze
Das MiLoG schreibt einen verbindlichen gesetzlichen Rechtsanspruch für jeden Arbeitnehmer auf den gesetzlich festgelegten Mindestlohn vor. Es handelt sich dabei um einen eigenständigen Anspruch. Der Anspruch richtet sich gegen den Arbeitgeber von im Inland beschäftigten Arbeitnehmern. Gesetzliche Anspruchsgrundlage ist § 1 Abs. 1 MiLoG. Als gesetzlicher Anspruch unterliegt er nicht der insolvenzrechtlichen Anfechtung. Eine Verwirkung des Anspruchs oder ein Verzicht außerhalb eines gerichtlichen Vergleichs sind ausgeschlossen.
2.2 Anwendungsbereich
Das MiLoG ist grundsätzlich auf alle Arbeitsverhältnisse anwendbar. Insbesondere ist der Anspruch nicht auf Arbeitnehmer begrenzt, die ein Entgelt nur in Höhe des Mindestlohnanspruchs erhalten. Erfasst werden alle Arbeitgeber, die Arbeitnehmer im bundesdeutschen Inland beschäftigen, unabhängig von ihrem Sitz im In- oder Ausland.
Dabei sieht das Bundesverfassungsgericht hier in seinem Nichtannahmebeschluss v. 25.6.2015 Klärungsbedarf durch die Fachgerichte, ob ausnahmslos jede, auch nur kurzfristige Tätigkeit auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Inlandsbeschäftigung darstellt. Weiterhin wirft es darin die Frage auf, ob eine Mindestlohnpflicht bei kurzzeitigen Einsätzen in Deutschland erforderlich ist, um die mit dem MiLoG verfolgten Ziele zu erreichen.
Keine Anwendung findet das Gesetz auf arbeitnehmerähnliche Personen.
Auf Arbeitnehmerseite bestehen Ausnahmen für nachfolgende Personengruppen:
Prozessual relevant ist, dass durch die gesetzliche Regel-Ausnahme-Regelung in § 22 Abs. 1 Satz 2 MiLoG ("es sei denn") eine Verschiebung der Darlegungs- und Beweislast erfolgt. Praktikanten i. S. d. § 26 BBiG sind also Arbeitnehmer i. S. v. § 22 Abs. 1 Satz 1 MiLoG, es sei denn, das Praktikum genügt den Anforderungen des § 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–4 MiLoG. Hierfür ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet.
Nachweispflicht für Praktika
In § 2 Abs. 1a NachwG sind die in eine Niederschrift aufzunehmenden wesentlichen Vertragsbedingungen den Besonderheiten des Praktikumsverhältnisses angepasst. Dazu gehören insbesondere Angaben über die mit einem Praktikum verfolgten Lern- und Ausbildungsziele sowie zur Dauer des Praktikums und zur Zahlung der Vergütung.
Für jedes Praktikum müssen Arbeitgeber mündlich vereinbarte Vertragsbedingungen schriftlich niederlegen. Das hat früher als bei anderen Arbeitnehmern zu geschehen, bei denen nach § 2 Abs. 1 NachwG die Niederschrift bis zu einem Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses erfolgen kann. Wer einen Praktikanten einstellt, hat die Niederschrift unverzüglich nach Abschluss des Praktikumsvertrags, spätestens vor Aufnahme der Praktikantentätigkeit vorzunehmen. Mit der Erweiterung der Nachweispflicht ist eine Beweiserleichterung für Praktikanten verbunden. Diese kann im Ergebnis einer Beweis...