Leitsatz
Aktien einer Zuckerfabrik sind auch dann dem notwendigen Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs zuzuordnen, wenn mit dem Aktienbesitz satzungsgemäß eine Anbau- und Lieferverpflichtung verbunden ist, die bereits vor Einführung der Europäischen Zuckermarktordnung nicht beachtet wurde, und wenn den Lieferbeziehungen im Streitjahr eine Branchenvereinbarung i.S.d. VO (EWG) Nr. 206/68 zugrunde lag.
Normenkette
§ 4 Abs. 1 EStG
Sachverhalt
Ein Landwirt hatte vinkulierte Namensaktien einer Zucker-AG mit Gewinn verkauft. Nach der Satzung der AG war jeder Aktionär verpflichtet, entsprechend dem Nominalwert der Aktie eine bestimmte Fläche Zuckerrüben anzubauen und die Ernte abzuliefern. Von dieser Verpflichtung hatte die AG schon jahrzehntelang keinen Gebrauch mehr gemacht. Der Landwirt lieferte seine Zuckerrüben auch an eine andere Zuckerfabrik. In seinen Bilanzen hatte der Landwirt die Aktien nicht aktiviert.
Das FA war der Meinung, die Aktien seien notwendiges Betriebsvermögen gewesen, und erhöhte die Einkünfte aus LuF um den Gewinn aus dem Aktienverkauf. Das FG teilte die Auffassung des FA.
Entscheidung
Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Die Aktien seien notwendiges Betriebsvermögen gewesen. Es spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Aktien nicht als Kapitalanlage, sondern zu betrieblichen Zwecken angeschafft worden seien, weil sie dem Absatz der landwirtschaftlichen Produkte dienten. Weder sei die Lieferverpflichtung durch die EU-Zuckermarktordnung gegenstandslos geworden noch sei das Lieferrecht der AG verwirkt.
Hinweis
1. Ebenso wie Freiberufler können Landwirte Anteile an Kapitalgesellschaften im Regelfall nicht im Betriebsvermögen halten. Denn der BFH gestattet lediglich, Wirtschaftsgüter zum Betriebsvermögen zu ziehen, die vom Gegenstand her objektiv geeignet sind, dem freiberuflichen bzw. land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen und ihn zu fördern (vgl. etwa BFH, Urteil vom 28.7.1994, IV R 80/92, BFH/NV 1995, 288). Diese Rechtsprechung betrifft allerdings nur gewillkürtes Betriebsvermögen. Ausnahmsweise kann eine Kapitalanlage aber auch notwendiges Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen oder freiberuflichen Betriebs sein. Dann sind die Anteile unter allen Umständen Betriebsvermögen und können nur durch eine Nutzungsänderung, die ihnen die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen nimmt, entnommen werden.
2. Nach dem Besprechungsurteil gehören Aktien an einer Zuckerfabrik, die mit Lieferrechten verbunden sind, immer zum notwendigen Betriebsvermögen des Landwirts. Für die Qualifikation als notwendiges Betriebsvermögen reicht es aus, dass das Wirtschaftsgut dem Betrieb zu dienen bestimmt und geeignet ist. Notwendig, wesentlich oder unentbehrlich muss es nicht sein, wie der BFH hier ausdrücklich klarstellt. Eine besondere Eignung, dem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen, haben Zuckerfabrikaktien vor allem wegen des mit ihnen verbundenen Lieferrechts. Zwar hat dieses Recht bzw. je nach Sichtweise die Verpflichtung heute in der Regel keine praktische Bedeutung mehr. Bei veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen könnte sie sich jedoch jederzeit wieder aktualisieren. Außerdem werden derartige Zuckeraktien nicht auf dem freien Markt gehandelt, sondern nur Rübenlieferanten angeboten. Dass infolge von Erbgängen Aktien auch in die Hände von Nicht-Landwirten gelangen, ändert an der Verkaufspolitik der AG nichts.
Heute sind Zuckerlieferrechte durch die EU-Marktordnung quotiert. Die diesbezüglichen Regelungen lassen aber die zwischen Landwirt und Fabrik vereinbarten Lieferverpflichtungen unberührt. Sie geben lediglich einen Rahmen für neu zu vereinbarende Verpflichtungen vor. Deshalb hat die Lieferverpflichtung auch weiterhin Bedeutung für die Betriebsvermögenseigenschaft der Aktien.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.12.2003, IV R 19/02