Krisensituationen der GmbH und Folgen für den Steuerberater
[Ohne Titel]
Tobias Kordes, LL.M., RA/FASt
Befindet sich die GmbH in der Krise, tritt die Geschäftsführung regelmäßig in engen Austausch mit dem steuerlichen Berater. Wird die Insolvenzreife fehlerhaft beurteilt, bestehen erhebliche Haftungsrisiken für den Steuerberater und die Geschäftsführung. Diese Risiken bestehen bereits dann, wenn Geschäftsführung und Steuerberater sich gar nicht über die Krisensituation bewusst sind. Der Steuerberater ist in der schwierigen Situation, dass er sich nicht nur gegenüber potentiellen Ansprüchen des Insolvenzverwalters der möglicherweise später insolventen GmbH schützen muss, sondern auch mit Vorwürfen/Inanspruchnahmen seitens der Geschäftsführung rechnen muss. Ziel dieses Beitrags ist es, unter Berücksichtigung aktueller Rechtsprechung die Haftungsszenarien einerseits und Schutzmöglichkeiten andererseits insbesondere für die Fälle aufzuzeigen, in denen neben dem Insolvenzverwalter auch die Geschäftsführung den Steuerberater haftbar machen will.
I. Ausgangssituation
Haftung gegenüber dem Insolvenzverwalter: Spätestens seit dem BGH-Urteil vom 26.1.2017 steht außer Zweifel, dass ein Steuerberater für Fehler im Zusammenhang mit der Jahresabschlusserstellung und einer Beratung anlässlich einer Insolvenzreife einer GmbH gegenüber dem Insolvenzverwalter für während der Insolvenzreife eingetretene Schäden haften kann.
Haftung gegenüber der Geschäftsführung der (insolventen) GmbH: Ebenso ist seit dem BGH-Urteil vom 14.6.2012 anerkannt, dass der Steuerberater der (insolventen) GmbH nach den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auch gegenüber der Geschäftsführung der (insolventen) GmbH haften kann, wenn dieser aufgrund einer verspäteten Insolvenzantragstellung Schäden entstanden sind. Beachten Sie: In der jüngeren Praxis der Insolvenzverwalter ist zu beobachten, dass die Insolvenzverwalter
- sich (vermeintliche) Ansprüche der Geschäftsführung gegen den Steuerberater der (insolventen) GmbH abtreten lassen und
- im Gegenzug auf die (teilweise) Geltendmachung von Ansprüchen gem. § 64 GmbHG/§ 15b InsO verzichten.
Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit den Fragen,
- wann ein Steuerberater gegenüber der Geschäftsführung der beratenen GmbH im Falle der Insolvenz schadenersatzpflichtig sein kann,
- wie man das Haftungsrisiko reduzieren und
- ob der Insolvenzverwalter Ansprüche der Geschäftsführung aus abgetretenem Recht gegenüber dem Steuerberater durchsetzen kann.
Schwerpunktmäßig soll es dabei unter Berücksichtigung einer jüngeren Entscheidung des OLG Köln vom 12.8.2021 um die Fälle gehen, in denen aufgrund von Bilanzierungsfehlern eine bilanzielle Überschuldung/Krisensituation gar nicht gesehen wurde.
II. Haftung des Steuerberaters gegenüber der GmbH
Der ein oder andere Steuerberater hat sich schon mit der nachfolgenden Konstellation auseinandersetzen müssen: Über das Vermögen einer GmbH ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter prüft,
- ob die Insolvenzantragstellung zu spät erfolgt ist und
- wer für etwaige Schäden aufgrund einer verspäteten Insolvenzantragstellung haftbar sein kann.
1. Drei denkbare Haftungskonstellationen
Sehr schnell wird der Fokus – neben der Geschäftsführung – auf den steuerlichen Berater der GmbH gelenkt und gefragt, ob bei der steuerlichen Beratung – insbesondere im Zusammenhang mit der Jahresabschlusserstellung oder in einer Krisensituation – Fehler unterlaufen sind. Denkbar sind im Wesentlichen drei Haftungskonstellationen:
Fallkonstellation 1: |
Der Steuerberater hat es trotz erkannter Insolvenzreife/Krisensituation unterlassen, die Geschäftsführung der GmbH auf die Insolvenzgefahr und das Einholen entsprechender Beratung hinzuweisen, oder den fehlerhaften Rat erteilt, dass keine Insolvenzantragspflicht besteht. |
Fallkonstellation 2: |
Der Steuerberater hat bei der Bilanzierung Vermögenswerte zu Fortführungswerten in der Bilanz berücksichtigt trotz bilanzieller Überschuldung und dauerhafter Verluste und dabei keine Risikohinweise erteilt. |
Fallkonstellation 3: |
Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses sind Bilanzierungsfehler gemacht worden mit der Folge, dass in der Bilanz keine Überschuldung ausgewiesen und insoweit eine Krisensituation gar nicht erkannt/gesehen wurde. |
In sämtlichen Konstellationen ist eine Haftbarkeit möglich: In allen drei Konstellationen kann der Steuerberater gegenüber der GmbH bzw. dem Insolvenzverwalter haftbar sein.
- Soweit es um fehlerhafte Auskünfte eines Steuerberaters bei erkannter Krisensituation geht (Fallkonstellation 1), hatte der BGH dies bereits mit Entscheidungen vom 6....