Leitsatz
Verschafft sich der Geschäftsführer einer Familien-GmbH, der nicht selbst Gesellschafter, aber Familienangehöriger eines Gesellschafters ist, widerrechtlich Geldbeträge aus dem Vermögen der GmbH, so ist dem Gesellschafter keine mittelbare vGA zuzurechnen, wenn ihm die widerrechtlichen eigenmächtigen Maßnahmen des Geschäftsführers nicht bekannt waren und auch nicht in seinem Interesse erfolgt sind.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, § 45, § 46 GmbHG
Sachverhalt
Der Kläger befand sich in den Streitjahren 1997 bis 1999 bereits als Postbeamter im Ruhestand. 1997 hatte er mit seiner Schwiegertochter die X-GmbH gegründet, deren Gegenstand der Handel mit Betonfertigteilen sowie mit Immobilien war. Der Kläger hielt 98 %, die Schwiegertochter 2 % der Anteile. Zum alleinigen Geschäftsführer war zunächst sein Sohn bestellt worden. Im Oktober 1999 wurde der Kläger zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Die GmbH wurde wegen Massearmut im Handelsregister gelöscht. Anlässlich einer Außenprüfung bei der X-GmbH wurde festgestellt, dass S als Geschäftsführer an die GmbH fingierte Rechnungen erstellt und die darauf entrichteten Beträge für sich verwendet hatte, und zwar 1997: 133.690 DM, 1998: 197.169 DM und 1999: 160.746 DM.
Das FA rechnete diese Beträge dem Kläger entsprechend seiner Beteiligungsquote als vGA bei seinen Einnahmen aus Kapitalvermögen zu.
Das FG wies die Klage nach erfolglosem Einspruch ab (EFG 2005, 1697).
Entscheidung
Der BFH führt aus, eine vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liege vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwende und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis habe. Im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG sei die vGA aber beim Gesellschafter erst mit ihrem Zufluss – vgl. § 8, 11 Abs. 1 EStG – zu erfassen.
Liege ein verdecktes Treuhandverhältnis nicht vor, so könne auch ohne tatsächlichen Zufluss bei dem Gesellschafter eine vGA gegeben sein, wenn ihm der Vorteil nur mittelbar zugewendet werde, indem eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen ziehe.
Bei widerrechtlichen Handlungen des nicht beteiligten nahe stehenden Geschäftsführers könne aber nur dann eine mittelbare vGA dem Gesellschafter zugerechnet werden, wenn anzunehmen sei, dass einmal die GmbH dem Gesellschafter und zum Zweiten dieser dem Geschäftsführer einen Vermögensvorteil habe zuwenden wollen und beide Zuwendungen mittelbar dadurch erfolgt seien, dass die GmbH unmittelbar ihrem Geschäftsführer geleistet habe.
Dies setze indes voraus, dass der Gesellschafter von den eigenmächtigen Geldentnahmen Kenntnis gehabt und den Geschäftsführer bewusst habe gewähren lassen.
Selbst dann seien dem Kläger nicht ohne Weiteres die mittelbaren vGA in Höhe seiner Beteiligungsquote zuzurechnen.
Da mehrere dem Geschäftsführer nahe stehende Gesellschafter an der GmbH beteiligt gewesen seien, müsse das FG ermitteln, ob allein der Kläger oder ob auch – und dann ggf. mit welchem Anteil – seine Schwiegertochter die vGA veranlasst hätten.
Hinweis
1. Der BFH hatte erstmals über die Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen eine einem Gesellschafter im Rahmen seiner Einkünfte aus Kapitalvermögen zuzurechnende vGA gegeben ist, wenn sich ein ihm nahe stehender, an der Kapitalgesellschaft aber nicht beteiligter Geschäftsführer aus deren Vermögen eigenmächtig Geldbeträge verschafft.
2. Nach den besonderen Umständen im Streitfall, wonach der Kläger als Vater die GmbH nur auf Bitten des als Geschäftsführer tätigen Sohns und allein in dessen Interesse gegründet hatte, war die Frage vorrangig, ob der Kläger die Gesellschafterstellung lediglich – verdeckt – treuhänderisch für seinen Sohn gehalten hatte. Dann wären dem Sohn nämlich die widerrechtlich entnommenen Geldbeträge unmittelbar als Kapitaleinkünfte zuzurechen (§ 20 Abs. 2a Satz 2 EStG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).
3. Auch ohne Zufluss kann im Übrigen eine vGA bei einem Gesellschafter vorliegen, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahe stehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Das Näheverhältnis kann familien-, gesellschafts- oder schuldrechtlicher oder auch rein tatsächlicher Art sein.
4. Eine vGA aufgrund einer Zuwendung eines Vermögensvorteils an die nahe stehende Person ist unabhängig davon, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat (BFH, Urteil vom 25.5.2004, VIII R 4/01, BFH-PR 2005, 48).
5. Nach der BFH-Rechtsprechung spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine gesellschaftliche Veranlassung, dass nämlich die nahe stehende Person den Vorteil ohne ihre Beziehung zu dem Gesellschafter nicht erhalten hätte.
6. Allerdings greift der Anscheinsbeweis für eine gesellschaftliche Veranlassung nur ein, wenn eine andere Ursache als das Nahestehen des Empfängers für die Zuwendung auszuschließen ist (BFH, Urteil vom 22.2.2005, VIII R 24...