Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Ist an einem Kapitalgesellschaftsanteil ein Nießbrauch bestellt, der dem Nießbrauchberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt, ohne dass dieser wesentliche Verwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann, sind die Kapitaleinnahmen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ertragsteuerlich weiterhin dem Anteilseigner zuzurechnen.
2. Ist in diesem Fall die Anteilseignerin des nießbrauchbelasteten Kapitalgesellschaftsanteils eine Kapitalgesellschaft, kann die direkte Auszahlung der Ausschüttungen an den Nießbrauchberechtigten zu einer mittelbaren vGA führen, wenn es sich beim Gesellschafter der anteilseignenden Kapitalgesellschaft und beim Nießbrauchberechtigten um einander nahestehende Personen handelt.
Normenkette
§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, Abs. 2a Satz 3 EStG, § 39 Abs. 1 AO
Sachverhalt
Der Kläger hielt 2004 jeweils 50 % der Geschäftsanteile der A-GmbH, der B-GmbH und der C-GmbH in seinem Privatvermögen. Die übrigen Geschäftsanteile an diesen Gesellschaften hielt X. Mit notariellem Vertrag vom 16.12.2004 bestellten der Kläger und X an ihren Geschäftsanteilen der C-GmbH einen Nießbrauch mit einer Quote von 80 % zugunsten der A-GmbH (sog. Quotennießbrauch). Die mit den Geschäftsanteilen verbundenen Mitverwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, sollten dem jeweiligen Anteilseigner verbleiben. Die Bestellung erfolgte unentgeltlich. Ebenfalls mit notariellem Vertrag vom 16.12.2004 beschlossen der Kläger und X als Gesellschafter der B-GmbH die Erhöhung des Stammkapitals der B-GmbH um 1.000 EUR auf 26.000 EUR. Die neue Stammeinlage auf das erhöhte Stammkapital sollten der Kläger und X nicht in Geld, sondern durch Einbringung ihrer (nießbrauchbelasteten) Geschäftsanteile an der C-GmbH leisten. Zugleich erklärten der Kläger und X, dass sie die neue Stammeinlage jeweils hälftig übernehmen. Die Leistung der Sacheinlagen durch den Kläger und X in Gestalt der Einbringung der Geschäftsanteile an der C-GmbH erfolgte mit gesonderter Vereinbarung und mit sofortiger Wirkung ebenfalls am 16.12.2004. Die B-GmbH setzte die Geschäftsanteile zum Buchwert an. Der über die Kapitalerhöhung hinausgehende Betrag wurde in die Kapitalrücklage der B-GmbH eingestellt.
Am 28.12.2004 beschloss die Gesellschafterversammlung der C-GmbH eine Gewinnausschüttung, wovon noch am selben Tag ein Betrag i.H.v. 236.033 EUR direkt an die A-GmbH ausgezahlt wurde. Zudem beschloss die Gesellschafterversammlung der C-GmbH am 2.6.2006 und am 28.12.2006 weitere Gewinnausschüttungen. Insofern erfolgte am 28.12.2006 eine direkte Auszahlung an die A-GmbH i.H.v. insgesamt 1.145.203 EUR.
Diese Vorgänge wurden in den ursprünglichen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO erfolgten ESt-Festsetzungen des Klägers für die Streitjahre erklärungsgemäß nicht berücksichtigt. Bei der A-GmbH wurden die empfangenen Zahlungen als verdeckte Einlagen der Klägerin bzw. X erfasst und in das steuerliche Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG eingestellt.
Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass dem Kläger und X i.H.d. Zahlungen an die A-GmbH aufgrund des Quotennießbrauchs hälftig eine vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zugeflossen sei, und legte diese Einkünfte unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens gemäß § 3 Nr. 40 EStG der Besteuerung zugrunde. Einspruch und Klage (Hessisches FG, Urteil vom 16.8.2018, 11 K 372/13, Haufe-Index 12728715) hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision stattgegeben, das FG-Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zurückverwiesen. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichten nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob eine vGA vorlag.
Hinweis
Vorliegendes Urteil ist inhaltsgleich mit der Parallel-Entscheidung des BFH vom 14.2.2022 mit dem Az. VIII R 29/18 (BFH/PR 2022, 264).
1. Das FG hatte bei der Prüfung der Voraussetzungen einer vGA i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG in den Ausschüttungen der C-GmbH an die A-GmbH zu Recht eine Vorteilszuwendung der B-GmbH an die A-GmbH gesehen. Die Ausschüttungen der C-GmbH waren, auch soweit sie aufgrund des Quotennießbrauchs direkt an die A-GmbH ausgezahlt wurden, nach § 20 Abs. 2a Sätze 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO der B-GmbH als Anteilseignerin der C-GmbH zuzurechnen.
2. Der an der C-GmbH zugunsten der A-GmbH bestellte Quotennießbrauch führte nicht zu einer abweichenden Zurechnung der Ausschüttung. Erforderlich wäre hierfür, dass die nießbrauchberechtigte C-GmbH – z.B. durch Übergang der Mitverwaltungsrechte, insbesondere der Stimmrechte oder durch Einräumung einer Stimmrechtsvollmacht – eine Rechtsposition innehat, die ihr entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der C-GmbH verschafft und insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt. Dies war vorliegend nicht der Fall, da die mit den Geschäftsanteilen verbundenen Mitverwaltungsrechte, insbesondere die Stimmrechte, bei der Anteilseignerin, der B-GmbH, verbliebe...