Leitsatz
1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH wird die Mitunternehmerstellung des Komplementärs nicht dadurch ausgeschlossen, dass er weder am Gewinn und Verlust der KG noch an deren Vermögen beteiligt ist. Hieran ist festzuhalten.
2. Zu den Folgen dieser Beurteilung für die Mitunternehmerstellung des Gesellschafters einer GbR.
Normenkette
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
Die klagende P-GmbH gründete 1994 mit der beigeladenen O-GmbH eine GbR zum Erwerb eines Grundstücks sowie dessen Bebauung mit einem Büro- und Geschäftshaus, das an eine noch zu gründende Immobilienfondsgesellschaft verkauft werden sollte. Beide Gesellschafter waren einzeln zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet. Anders als die Beigeladene war die Klägerin aber nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt. Die Klägerin war nach einer Zusatzvereinbarung entsprechend dem Projektfortschritt nur mit festgelegten Beträgen am Gewinn beteiligt, nicht aber am Verlust. Ein Auseinandersetzungsguthaben stand ihr nicht zu. Die Beigeladene hatte sie von jeglicher Haftung freizustellen.
Entscheidung
Der BFH sah die unbeschränkte Außenhaftung der Klägerin trotz der Haftungsfreistellung im Innenverhältnis für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos als ausreichend an und bejahte im Rahmen einer Gesamtschau eine stark ausgeprägte Mitunternehmerinitiative der Klägerin.
Der BFH teilte nicht die nicht konkret belegte und auch durch den Akteninhalt nicht gerechtfertigte lapidare Feststellung des FG, die Initiativrechte der Klägerin seien erheblich eingeschränkt gewesen. Insbesondere fehlten jegliche Anhaltspunkte für eine Einschränkung des der Klägerin nach § 711 BGB zustehenden Widerspruchsrechts gegen Geschäftsführungsmaßnahmen der Beigeladenen. Die Klägerin war vielmehr dazu verpflichtet, im Einzelnen festgelegte und für den Gesellschaftszweck wesentliche Maßnahmen von erheblichem Umfang umzusetzen.
Hinweis
1. Die Entscheidung ist ein anschauliches Beispiel für die Wirkungsweise des Mitunternehmerbegriffs als sog. Typusbegriff. Mitunternehmer kann nur sein, wer sowohl Mitunternehmerinitiative als auch Mitunternehmerrisiko trägt. Beide Merkmale müssen gegeben sein. Im Einzelfall können sie aber unterschiedlich intensiv ausgeprägt sein und sich wechselseitig kompensieren. Dies erfordert eine Gesamtwürdigung sämtlicher, die rechtliche und wirtschaftliche Stellung eines Gesellschafters bzw. Gemeinschafters bestimmenden Umstände.
2. Mitunternehmerrisiko bedeutet grundsätzlich die gesellschaftsrechtliche – oder eine wirtschaftlich vergleichbare – Teilhabe am Erfolg und Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Ein derartiges Risiko wird im Regelfall am deutlichsten durch eine Beteiligung am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens, einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt.
3. Indes hat der VIII. Senat des BFH (Urteil vom 17.11.1987, VIII R 83/84, BFHE 152, 230) nicht stets eine Teilhabe am Gewinn und Verlust verlangt, sondern allein die Außenhaftung für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos ausreichen lassen. Der IV. Senat des BFH (Urteil vom 21.4.1988, IV R 47/85, BStBl II 1989, 722) hatte hingegen beiläufig gegen die Anerkennung eines ausreichenden Mitunternehmerrisikos eines Treuhand-Komplementärs einer KG allein aufgrund seiner Außenhaftung Bedenken geäußert.
4. Der VIII. Senat hält nach erneuter Prüfung an seiner Rechtsprechung fest. Die steuerliche Verwaltungs- und Beratungspraxis hat sich nämlich seit langem auf die unter diesen Voraussetzungen anerkannte Mitunternehmerqualifikation eingestellt (Gesichtspunkt der Kontinuität der Rechtsprechung). Zudem kommt es entsprechend der Eigenart des Mitunternehmerbegriffs als Typusbegriff auf die Gesamtwürdigung sämtlicher, die Rechtsstellung des Gesellschafters charakterisierenden Umstände an. Schließlich leuchtet es nicht ein, eventuell im Haftungsfall eintretende Verluste eines solchen Komplementärs nicht seiner mitunternehmerischen Sphäre zuzurechnen.
5. Eine Haftungsfreistellung im Innenverhältnis durch die anderen Gesellschafter verringert zwar das Gewicht der nach außen unbeschränkten Haftung des Komplementärs (BFH, Urteil vom 11.6.1985, VIII R 252/80, BStBl II 1987, 33). Dadurch verliert aber die Außenhaftung nicht vollständig ihre Bedeutung, selbst wenn die zur Freistellung verpflichteten Gesellschafter im Zeitpunkt der Vereinbarung von zweifelsfreier Bonität sind. Im Regelfall lassen sich jedenfalls die Unwägbarkeiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung der Gesellschaft wie auch der zur Freistellung verpflichteten Gesellschafter keineswegs ausschließen.
6. Dem Haftungsrisiko kann ausnahmsweise dann ein noch schwächeres Gewicht beizumessen sein, wenn das Unternehmen maßgeblich durch die persönliche Arbeitsleistung geprägt wird, nur einen geringen Kapitaleinsatz notwendig macht und mit den Geschäftsabschlüssen kein nennenswertes wirtschaftliches Verlustrisiko und deshalb auch kein signifikantes Haftungsrisiko verbunden ist. Dies hat die Rechtsprechung z.B. bei