Leitsatz
1. Im Rahmen der dem leistenden Unternehmer gemäß § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 des Umsatzsteuergesetzes obliegenden Mitwirkungspflichten hat dieser alles ihm Zumutbare zu tun, um dem Finanzamt die Realisation des abzutretenden Anspruchs gegen den Leistungsempfänger auf Zahlung der gesetzlich geschuldeten Umsatzsteuer zu ermöglichen.
2. Eine Verletzung dieser Mitwirkungspflichten, die der Erfüllungswirkung der Abtretung dieser Ansprüche entgegensteht, liegt nicht vor, wenn das Finanzamt ein Abtretungsangebot des leistenden Unternehmers ermessensfehlerhaft ablehnt.
Normenkette
§ 27 Abs. 19 Sätze 3 und 4, § 13b UStG, § 37, § 47, § 218 Abs. 2 AO, § 204, § 215, § 398 BGB, § 167 ZPO
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin ist Bauhandwerkerin. Sie war in den Jahren 2012 und 2013 für verschiedene Bauträger tätig. Die Bauträger meldeten die auf die Umsätze der Klägerin entfallenden USt-Beträge als Leistungsempfänger gemäß § 13b UStG an und führten die USt ab.
Nach Ergehen des BFH-Urteils (BFH, Urteil vom 22.8.2013, V R 37/10, BFH/NV 2014, 130, BStBl II 2014, 128) beantragten u.a. die Bauträger F und G bei den für sie zuständigen Finanzämtern die Erstattung der für die Umsätze der Klägerin abgeführten USt.
Das FA teilte der Klägerin dies im November 2014 mit und forderte die Klägerin auf, berichtigte Steuererklärungen für die Jahre 2012 und 2013 einzureichen, berichtigte Rechnungen (mit Steuerausweis) zu erstellen und den sich gegen F und G zusätzlich (in Höhe der USt) ergebenden Zahlungsanspruch abzutreten.
Die Klägerin bezweifelte zunächst die Authentizität dieses Anschreibens, berief sich auf Vertrauensschutz gemäß § 176 AO und machte Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 27 Abs. 19 UStG geltend. Zugleich erklärte die Klägerin ihre Bereitschaft, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Im März 2015 stellte die Klägerin, die grundsätzlich an ihrer bisher vertretenen Rechtsauffassung festhielt, gegenüber dem FA in Aussicht, geänderte Rechnungen mit USt-Ausweis zu erstellen und einen Abtretungsvertrag zu unterzeichnen. Eine Erklärung, dass die USt-Beträge nicht streitbefangen seien, könne sie jedoch nicht abgeben. Ihrer Bitte, einen Termin für ein Gespräch zu vereinbaren, kam das FA nicht nach.
Das FA teilte mit, die Abtretungen anzunehmen, wenn die Klägerin korrigierte Rechnungen vorlege, den Leistungsempfänger informiere und die abgetretenen Forderungen nicht streitbefangen seien. Die Klägerin teilte dem FA hierauf wiederum mit, sie könne nicht unterzeichnen, dass die Forderungen nicht streitbefangen seien. Zugleich wies die Klägerin erneut auf ihre Bereitschaft, eine einvernehmliche Lösung zu suchen, hin und bat abermals, ohne Erfolg, um ein Gespräch an Amtsstelle.
2015, 2016, 2018 und 2019 setzte das FA die USt unter Berücksichtigung der Umsätze der Klägerin, für die die Steuerschuldnerschaft der Bauträger nach § 13b UStG rückgängig zu machen war, fest.
Im Mai 2016 teilte das FA der Klägerin mit, dass es gehalten sei, das landeseinheitliche Muster eines Abtretungsvertrags zu verwenden. Abtretungen würden grundsätzlich angenommen, wenn die in den einzelnen Abtretungsverträgen aufgelisteten Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klägerin übersandte hierauf einen nicht diesem Muster entsprechenden Abtretungsvertrag und erläuterte, dass sie nicht erklären könne, dass die Forderungen nicht streitbefangen seien. Das FA teilte mit, dass es nur Abtretungsverträge anerkennen könne, die seinem Muster entsprächen. Die Klägerin erwiderte, diese Verträge aufgrund der Klausel, die Forderungen seien nicht streitbefangen, nicht unterschreiben zu können.
Das FA setzte die Klägerin im März 2017 und Juni 2017 davon in Kenntnis, dass es das zuständige Ministerium zwecks Abweichung vom landeseinheitlichen Abtretungsvertrag kontaktiert habe, und legte im Oktober 2017 der Klägerin geänderte Abtretungsverträge vor. Zugleich teilte es mit, dass für einen Teil der Sachverhalte eine Wirkung an Zahlungs statt aus seiner Sicht nicht mehr eintrete, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten verletzt habe.
Die Klägerin änderte am 19.12.2017 die Rechnungen gegenüber G und F und reichte am 21.12.2017 die erforderlichen Unterlagen sowie Abtretungen beim FA ein. Das FA nahm die Abtretungen am 22.12.2017 an, verweigerte aber die Anerkennung an Zahlungs statt in vollem Umfang. Am 11.1.2018 erließ es Abrechnungsbescheide zur USt für 2012 und 2013, gegen die die Klägerin Einspruch einlegte.
Die Abrechnungsbescheide wurden mehrfach geändert. Das FA lehnte die Erfüllungswirkung der erfolgten Abtretungen dabei endgültig ab (Einspruchsentscheidung vom 29.11.2019).
Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25.4.2022, 7 K 7239/19, Haufe-Index 15180777) gab der Klage teilweise statt, wies die Klage aber im hier maßgeblichen Streitpunkt ab. Es war der Ansicht, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nach § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG, zu denen auch der zeitgerechte Abschluss der Abtretungsvereinbarung gehöre, nicht in der gebotenen Weise na...