LfSt Niedersachsen v. 20.5.2019, S 2244 - 118 - St 244

Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen bei Beteiligungen an Kapitalgesellschaften

Mit Schreiben vom 21.10.2010 (BStBl 2010 I S. 832) hat das BMF die Auffassung vertreten, dass auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008 (BGBl 2008 I S. 2026) für die Anerkennung von nachträglichen Anschaffungskosten (Darlehen bzw. Bürgschaften) weiterhin das Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung erforderlich und auch nach Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts (§§ 32a, 32b GmbHG, a.F.) weitestgehend nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 8.6.1999 (BStBl 1999 I S. 545) zu verfahren sei.

Nunmehr hat der BFH mit Urteil vom 11.7.2017 (IX R 36/15, BStBl 2019 II S. 208) entschieden, dass mit Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG die gesetzliche Grundlage für die bisherige Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Aufwendungen des Gesellschafters aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG entfallen ist. Aus Gründen des Vertrauensschutzes stellt der BFH auf den Tag der Veröffentlichung des vorgenannten Urteils auf seinen Internet-Seiten (27.9.2017) ab und sieht bis zu diesem Tag geleistete eigenkapitalersetzende oder eigenkapitalersetzend gewordene Finanzierungshilfen des Gesellschafters als nach den bisherigen Grundsätzen zu beurteilen an. In Anwendung seiner vorgenannten Urteilsgrundsätze hat der BFH auch mit Urteilen vom 11.10.2017 (IX R 29/16, BFH/NV 2018 S. 451, und IX R 51/15, BFH/NV 2018 S. 329) entschieden.

Zur Anwendung der nunmehr jeweils im BStBl Teil II veröffentlichten BFH-Urteile vom 11.7.2017 (BStBl 2019 II S. 208), vom 6.12.2017 (BStBl 2019 II S. 213) und vom 20.7.2018 (BStBl 2019 II S. 194) hat das BMF unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 21.10.2010 (a.a.O.) mit Schreiben vom 5.4.2019 (BStBl 2019 I S. 257) Stellung genommen. Demnach ist das BMF-Schreiben vom 21.10.2010 (a.a.O.) aus Vertrauensschutzgründen weiterhin in allen offenen Fällen anzuwenden, bei denen auf die Behandlung des Darlehens/der Bürgschaft die Vorschriften des MoMiG anzuwenden sind, wenn die bisher als eigenkapitalersetzend angesehene Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.9.2017 gewährt wurde oder wenn die Finanzierungshilfe bis einschließlich 27.9.2017 eigenkapitalersetzend geworden ist. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass derzeit beim BFH noch ein Revisionsverfahren (IX R 13/18) anhängig ist, welches u.a. die Frage zum Gegenstand hat, inwieweit die mit BFH-Urteil vom 11.7.2017 (a.a.O.) getroffenen Vertrauensschutzregelungen überhaupt Anwendung finden.

Darüber hinaus ordnet das BMF-Schreiben vom 5.4.2019 (a.a.O.) an, in allen übrigen Fällen nach den Grundsätzen der im vorstehenden Absatz genannten BFH-Entscheidungen zu verfahren und für die Bestimmung der Anschaffungskosten i.S. von § 17 Abs. 2 EStG nach Maßgabe der handelsrechtlichen Begriffsdefinition in § 255 HGB zu verfahren. Im Übrigen verweise ich auf den Wortlaut des vorgenannten BMF-Schreibens.

Im Hinblick auf die Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften ist Folgendes zu beachten:

- Vor Inkrafttreten des MoMiG

Das BMF-Schreiben vom 8.6.1999 (a.a.O.) unter Berücksichtigung der Ausführungen in meiner Karteiverfügung (KSt-Kartei § 1 KStG Karte F 4, Nummer 3, unter Hinweis auf das Praxishandbuch der Finanzverwaltung NRW „Besteuerung ausländischer Gesellschaften im Inland u.a. am Beispiel der Private Company Limited by Shares (Ltd.)” zu 5.5) ist weiterhin gültig und zu beachten.

- Nach Inkrafttreten des MoMiG

Das BMF-Schreiben vom 21.10.2010 (a.a.O.) nimmt nicht ausdrücklich zu der Frage Stellung, wie Verluste aus Finanzierungsmaßnahmen bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften zu behandeln sind. Nach Abstimmung auf Bund-Länder-Ebene ist nach Inkrafttreten des MoMiG grundsätzlich nicht mehr darauf abzustellen, ob die Finanzierungsmaßnahme im Ausland einem dem inländischen Gesellschafts-/bzw. Insolvenzrecht vergleichbaren Recht unterliegt. Lediglich zur Annahme von krisenbestimmten Darlehen aufgrund gesetzlicher Neuregelung ist eine den §§ 39, 135 InsO sowie § 6 AnfG (unter 3. d), bb) des BMF-Schreibens vom 21.10.2010 (a.a.O.)) vergleichbare Regelung im ausländischen Recht Voraussetzung zur Annahme nachträglicher Anschaffungskosten i.S. des § 17 Abs. 2 EStG. Da die Regelungen des MoMiG nur für die in diesem Gesetz benannten Gesellschaften verbindlich sind, hat der Steuerpflichtige nachzuweisen, ob das ausländische Recht eine dem inländischen Recht vergleichbare gesetzliche Nachrangigkeit aller Rückzahlungsansprüche aus Gesellschafterdarlehen in der Insolvenz enthält.

 

Normenkette

EStG § 17 Abs. 2

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