Leitsatz
1. Der Verspätungszuschlag dient der (repressiven) Sanktion einer Pflichtverletzung und der in die Zukunft gerichteten Prävention.
2. Der Steuerpflichtige hat kein an den Bearbeitungsstand des FA gekoppeltes Recht zur Nichtabgabe der Steuererklärung. Der Umstand, ob durch die verspätete Abgabe der Erklärung das laufende Veranlagungsgeschäft gestört worden ist, kann aber im Rahmen der Ermessensausübung als eines von mehreren anderen Kriterien angemessen berücksichtigt werden.
3. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags kann binnen Jahresfrist nachgeholt werden.
Normenkette
§ 152 AO
Sachverhalt
Auf Antrag der Kläger hat das FA die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1992 bis zum 31.3.1994 verlängert. Am 19.7.1994 reichten die Kläger die Erklärung ein. Im Bescheid vom 12.7.1995, der zu einer Nachzahlung von 968 453 DM führte, wurde zunächst kein Verspätungszuschlag festgesetzt. Im Mai 1996 holte das FA die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nach. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
Entscheidung
Wie das FG war der BFH der Auffassung, dass die Festsetzung des Verspätungszuschlags weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden sei.
Das FA habe alle Ermessenskriterien angemessen berücksichtigt. Gründe für die Fristüberschreitung bei der Erklärungsabgabe hätten die Kläger nicht angeführt. Angesichts der Fristüberschreitung von mehr als drei Monaten und der Höhe der Steuernachzahlung sei ein Verspätungszuschlag von 10 000 DM angemessen. Dieser Höchstbetrag dürfe nicht nur in außergewöhnlichen Fällen festgesetzt werden.
Hinweis
1. Der Verspätungszuschlag ist im Steuerrecht ein Druckmittel eigener Art, um den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit auch die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuer sicherzustellen. Darüber hinaus soll er aber auch eine eventuelle Pflichtverletzung sanktionieren. Er hat somit eine doppelte Funktion.
2. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags enthält dem Grunde und der Höhe nach eine Ermessensentscheidung des FA. Die rechtliche Überprüfung durch die Finanzgerichtsbarkeit hat sich darum auf eventuelle Ermessensfehler zu beschränken (§ 102 FGO). Rechtswidrig ist ein Verspätungszuschlag also nur, wenn das FA bei der Festsetzung den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht einwandfrei und erschöpfend ermittelt hat, die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.
3. Nicht ermessensfehlerhaft ist es, dass das FA einen Verspätungszuschlag festgesetzt hat, obwohl es selbst die Veranlagung erst ein Jahr nach der Abgabe der Erklärung durchgeführt hat. Denn auch wenn das FA aus innerdienstlichen Gründen gehindert ist oder es für nicht zweckmäßig hält, die eingegangene Erklärung alsbald zu bearbeiten, bleibt die Pflicht zur fristgerechten Abgabe der Erklärung bestehen.
4. Auch der Verstoß des FA gegen das in § 152 Abs. 3 AO normierte sog. Verbindungsgebot, wonach der Verspätungszuschlag regelmäßig mit der Steuer festzusetzen ist, führt nicht zur Rechtswidrigkeit. Denn von dieser Ordnungsvorschrift kann in Ausnahmefällen abgewichen werden. Unschädlich ist es in jedem Fall – so der BFH –, wenn die Festsetzung des Verspätungszuschlags binnen Jahresfrist nachgeholt wird. Damit orientiert sich der BFH an der Jahresfrist in § 239 Abs. 1 AO (Festsetzungsfrist für Zinsen) und an der früheren Jahresfrist (die inzwischen auf zwei Jahre verlängert worden ist) des § 171 Abs. 10 AO (Anpassung des Folgebescheids an die Regelungen im Grundlagenbescheid).
5. Die in der Literatur vertretene Auffassung, ein Steuerbescheid ohne gleichzeitige Festsetzung eines Verspätungszuschlags enthalte einen Verzicht auf dessen Festsetzung, lehnt der BFH ausdrücklich ab.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 10.10.2001, XI R 41/00