Leitsatz
Stellt sich nach Erlass eines aufgrund einer Prognoseentscheidung der Familienkasse ergang- enen Aufhebungsbescheids heraus, dass die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag nach § 32 Abs.4 EStG nicht überschreiten, ist nach § 70 Abs. 4 EStG trotz der Bestandskraft dieses Bescheids eine rückwirkende Änderung möglich.
Sachverhalt
Der Sohn der Klägerin befand sich seit dem 1. 9. 1999 in einer Ausbildung zum KFZ-Mechaniker. Die Familienkasse hat mit Bescheid vom 21. 5. 2002 im Rahmen einer Prognoseentscheidung eine voraussichtliche Überschreitung der Einkommensgrenze für das Jahr 2002 festgestellt, und die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2002 aufgehoben. Erst im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass ihr Kindergeld zu gewähren sei, da nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge die Einkünfte und Bezüge des Sohnes den maßgeblichen Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht übersteigen würden.
Entscheidung
Nach Auffassung des FG steht die Bestandskraft des Aufhebungsbescheids vom 21. 5. 2002 einer Änderung nach § 70 Abs. 4 EStG nicht entgegen. Diese Änderungsvorschrift soll nämlich sicherstellen, dass eine Kindergeldfestsetzung für ein volljähriges Kind auch nach Ablauf des Kalenderjahres korrigiert werden kann, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den Grenzbetrag entgegen einer früheren Prognose der Familienkasse über- oder unterschreiten. Vor Ablauf des Kalenderjahres steht die tatsächliche Höhe der Einkünfte und Bezüge zwangsläufig nicht fest, vielmehr ist insoweit nur eine Prognose möglich. Die tatsächliche Höhe der Einkünfte und Bezüge wird zwangsläufig nachträglich bekannt, und eröffnet stets dann die Berichtigungs- Möglichkeit nach § 70 Abs. 4 EStG, wenn die abschließende Prüfung nach Ablauf des Jahres ein Unter- oder Überschreiten des Grenzbetrages abweichend von der Prognoseentscheidung ergibt. Nach dem Urteil des BFH vom 26. 7. 2001, VI R 5/00, BStBl 2002 II S. 86 gilt dies auch dann, wenn die Familienkasse bei ihrer Prognoseentscheidung voraussichtliche Werbungskosten berücksichtigt hat, die bei einer abschließenden Prüfung nicht mehr als Werbungskosten anerkannt werden. Dies muss nach Auffassung des Gerichts entsprechend auch für den Fall gelten, in dem die Familienkasse im Rahmen der Prognoseentscheidung bestimmte Aufwendungen (hier die Sozialversicherungsbeiträge) nicht berücksichtigt hat.
Hinweis
Nach den Urteilen des FG Düsseldorf vom 12.1.2006 - 14 K 4078/05 Kg und vom 5. 4. 2006 - 14 K 4432/05 Kg handelt es sich hier um das dritte FG Urteil, welches eine Ände- rung nach § 70 Abs. 4 EStG in den Fällen einer vorangegangenen Prognoseentscheidung für möglich hält. Die Revision ist inzwischen unter dem Az. III R 37/04 anhängig und das Ruhen vergleichbarer Verfahren nach § 363 Abs. 2 AO gesetzlich vorgeschrieben.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 22.03.2006, 10 K 1105/04 Kg