Leitsatz
Bürgschaftsverpflichtungen eines GmbH-Gesellschafters sind bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes nach § 17 EStG nur insoweit als nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Anteile anzusetzen, als angesichts eines aufschiebend bedingten Teilerlasses der Verpflichtungen tatsächlich noch mit einer Inanspruchnahme zu rechnen ist. Wird der Gesellschafter wider Erwarten zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommen, so liegt ein rückwirkendes Ereignis vor, das gemäß § 175 AO zu einer Erhöhung des Auflösungsverlustes führt.
Sachverhalt
Ein zu 50 % an einer GmbH beteiligter Gesellschafter hatte für Verbindlichkeiten der GmbH über ca. 1,1 Mio. DM gebürgt. Die Bank verzichtete auf die volle Inanspruchnahme aus der Bürgschaft gegen Zahlung eines Teilbetrags von 100.000 DM, wovon 20.000 DM sofort fällig waren, der Rest in Raten getilgt werden sollte. Der Erlass der Bürgschaftsverpflichtung sollte erst bei vollständiger Zahlung wirksam werden. Der Gesellschafter beantragte, den Verlust aus der Liquidation der GmbH unter Berücksichtigung des vollen Bürgschaftsbetrages festzusetzen, das Finanzamt akzeptierte dagegen nur den zu zahlenden Betrag von 100.000 DM.
Entscheidung
Das FG folgte der Auffassung des Finanzamts. Bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes sei es unerheblich, dass die Bank noch nicht endgültig auf ihre Ansprüche aus der Bürgschaft verzichtet habe. Bürgschaftsverpflichtungen seien im Rahmen nachträglicher Anschaffungskosten nach § 17 EStG nur insoweit zu berücksichtigen, als die Inanspruchnahme daraus wahrscheinlich sei. Hier sei nur von einer Inanspruchnahme in Höhe von 100.000 DM auszugehen, da zwischen Bank und Gesellschafter vereinbart worden war, die Rückzahlungsverpflichtung an seiner maximalen Leistungsfähigkeit auszurichten. Würde man angesichts der vereinbarten Ratenzahlungen von 200 DM bzw. später 500 DM monatlich auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verzichts abstellen, hätte es der Gesellschafter faktisch in der Hand, diesen Zeitpunkt beliebig in die Zukunft zu verlagern und würde dadurch ungerechtfertigt in den Genuss von Steuervorteilen kommen, die seine verbleibende Bürgschaftsverpflichtung um ein Vielfaches übersteigen könnten.
Hinweis
Das FG hat keine Revision zugelassen, der Gesellschafter jedoch Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Deren Erfolgsaussichten dürften aber gering sein, da das FG auf der Linie des BFH liegt. So hat dieser bereits entschieden, dass Bürgschaftsverpflichtungen eines zahlungsunfähigen Gesellschafters mangels zu erwartender Inanspruchnahme überhaupt nicht als nachträgliche Anschaffungskosten zu erfassen sind (BFH, Urteil v. 08.04.1998, VIII R 21 /94, BStBI II 1998, S. 660). Sollte ein Gesellschafter dennoch Zahlungen aus Bürgschaftsverpflichtungen leisten müssen, stellen diese ein rückwirkendes Ereignis dar, das nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO bei der Bemessung des Auflösungsverlustes zu berücksichtigen ist.
Link zur Entscheidung
FG Nürnberg, Urteil vom 23.01.2003, VI 187/2000