Leitsatz
Durch den erstmaligen Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr wird auch dann kein abweichender Zinslauf gem. § 233a Abs. 2a AO i.d.F. des JStG 1997 ausgelöst, wenn dieser Beschluss nach Ablauf des folgenden Wirtschaftsjahrs gefasst wird (Anschluss an das Senatsurteil vom 18.5.1999, I R 60/98, BStBl II 1999, 634; gegen BMF-Schreiben vom 14.9.1999, BStBl I 1999, 842).
Normenkette
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO , § 233a Abs. 2 Satz 1, Abs. 2a AO
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH, reichte ihre KSt-Erklärungen für das Streitjahr 1994 am 6.5.1997 und für das Streitjahr 1995 am 8.10.1997 beim FA ein. Aus den Erklärungen ergab sich, dass sie auf Grund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses vom 21.4.1997 für 1994 einen Gewinn ausgeschüttet hatte. Für 1995 war eine Gewinnausschüttung am 15.9.1997 beschlossen worden. Beide Ausschüttungen erfolgten im Jahr 1997.
Das FA setzte die Steuer durch Bescheide vom 28.5.1997 (für 1994) und vom 13.2.1998 (für 1995) fest. Es errechneten sich – nach ausschüttungsbedingten Minderungen gem. § 27 KStG – KSt-Nachzahlungen. Den Festsetzungen der Zinsen gem. § 233a AO wurden indes nicht diese Nachforderungsbeträge zu Grunde gelegt, vielmehr – unter Hinweis auf § 233a Abs.2a AO – die jeweils um die KSt-Minderungen erhöhten Beträge. Das FA ging davon aus, dass ein Gewinnverteilungsbeschluss ein rückwirkendes Ereignis darstelle, für das jedenfalls dann ein besonderer Zinslauf gelte, wenn der erstmalige Gewinnverteilungsbeschluss nach Ablauf des dem jeweiligen Wirtschaftsjahr folgenden Jahrs getroffen werde.
Entscheidung
Der BFH gab hingegen der Klägerin (ebenso wie schon zuvor das FG) in der Sache Recht und hielt die Revision des FA nur auf Grund eines Rechenfehlers für teilweise begründet. Zu welchem Zeitpunkt die Gewinnverteilung erstmals beschlossen worden sei, sei unbeachtlich. Die vom FA insoweit herangezogene Fristvorschrift des § 42a Abs. 2 GmbHG änderte daran nichts, weil es sich hierbei um eine bloße Ordnungsvorschrift handele, die die Rechtmäßigkeit eines später gefassten Gewinnverteilungsbeschlusses unberührt lasse.
Hinweis
1. Nach § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sind Zinsen auf Steuern zu leisten, wenn die Festsetzung der Steuer zu einer Steuernachzahlung oder -erstattung führt, wobei der Zinslauf 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs beginnt, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs. 2 Satz 1 AO). Soweit die Steuerfestsetzung auf der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) beruht, beginnt der Zinslauf abweichend hiervon 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Diese Abweichung ergibt sich aus der durch das JStG 1997 in die AO eingefügten Regelung in § 233a Abs. 2a AO. In einem derartigen Fall sind für die Zinsberechnung Teil-Unterschiedsbeträge zu bilden (§ 233a Abs. 7 Satz 1 AO).
2. Hiervon ausgehend müsste an sich auch durch den Beschluss über eine offene Gewinnausschüttung ein abweichender Zinslauf ausgelöst werden. Denn dieser Beschluss stellt ein "echtes" rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar (welchem nicht eine lediglich "werterhellende" Funktion zukommt und welches deswegen auch keine phasengleiche Bilanzierung rechtfertigt, vgl. BFH-Beschluss vom 7.8.2000, GrS 2/99, BStBl II 2000, 632). Der BFH hat allerdings bereits im Urteil vom 18.5.1999, I R 60/98 (BStBl II 1999, 634) entschieden, dass er aus systematischen Gründen hiervon absehen will: Der erstmalige Gewinnverteilungsbeschluss stelle den "Normalfall" dar und sei als solcher zu behandeln. Dem hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen, sie hat jedoch eingeschränkt: der erstmalige Beschluss müsse im Folgejahr erfolgen.
Der BFH ist in dieser Frage einmal mehr anderer Meinung: Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung kommt es nicht an. Auch Gewinnverteilungsbeschlüsse einer GmbH, die nicht bereits im jeweiligen Folgejahr, sondern erst später getroffen werden, also sog. Nachtragsausschüttungen, lösen keinen abweichenden Zinslauf aus. Voraussetzung bleibt allein, dass es sich um erstmalige Beschlüsse handelt.
3.Daraus folgt:
Erstens: Es lassen sich Zinsvorteile zu Nutze machen. Beschließt die Kapitalgesellschaft nämlich erst nach einigen Jahren, vorzugsweise nach Durchführung von Betriebsprüfungen und dabei ermittelten Mehrergebnissen, Gewinne auszuschütten und ergibt sich hieraus die KSt-Minderung, dann verringert sich zum einen die durch die Mehrergebnisse ausgelöste Steuerlast und wird zum anderen dieser Vorteil über die Verzinsung nochmals vergrößert. Möglicherweise lassen sich noch andere Finanzierungseffekte gestalten, indem die Gesellschaft sich den Umstand zu Nutze macht, dass ihr Erstattungszinsen zustehen, wohingegen dem Anteilseigner die ihm zugeflossenen Gewinne zunächst unverzinst verbleiben, weil für ihn der reguläre Zinslauf gem. § 233a Abs. 2 AO ausgelöst wird. Zu beachten bleiben aber auch umg...