Leitsatz
Hat erst die Belastung mit dem Nutzungsrecht eines Dritten, das bei der Feststellung des Grundbesitzwerts gem. § 146 Abs. 2 bis 6 BewG unberücksichtigt bliebe, den zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nach § 146 Abs. 7 bestimmten Wert ergeben, ist der Nachweis nicht geführt (Anschluss an BFH-Urteil vom 08.10.2003, II R 27/02, BStBl II 2004, 179).
Normenkette
§ 2 Abs. 1, § 9 Abs. 2, § 138 Abs. 3, § 146 Abs. 7 BewG i.d.F. vor 2007, § 5 Abs. 2, § 16 Abs. 1 WertV
Sachverhalt
Die Kläger erwarben 1997 als Nacherben ein bebautes Grundstück, das noch für 71 Jahre und eine jährliche Pacht von 40 000 DM verpachtet war. Das FA stellte als Grundbesitzwert den Mindestwert gem. § 146 Abs. 6 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG a.F. fest. Das von den Klägern zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts vorgelegte Sachverständigengutachten erkannte es nicht an. Der Gutachter hatte angenommen, angemessen wäre eine Jahrespacht von 270 000 DM gewesen, und war auf diese Weise zu einem negativen Ertragswert und damit zu einem Verkehrswert von 0 DM gelangt.
Das FG (Hessisches FG, Urteil vom 06.09.2005, 3 K 1340/02, Haufe-Index 1465250, EFG 2006, 167) gab der Klage statt.
Entscheidung
Der BFH gab dagegen dem FA recht. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts sei nur dann geführt, wenn er für die wirtschaftliche Einheit oder das zu bewertende Einzelwirtschaftsgut ermittelt worden sei, die bzw. das Gegenstand der Bewertung nach den Absätzen 2 bis 6 des § 146 BewG a.F. gewesen ist. Zum Bewertungsgegenstand i.S.d. § 146 BewG a.F. gehörten aber die Belastungen mit (teil-)unentgeltlichen Nutzungsrechten nicht, wie sich aus § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG ergebe. Für derartige Belastungen könne nichts anderes gelten als für die Nutzungsrechte selbst. Das Abstellen auf die Nämlichkeit des Bewertungsgegenstands bedeute nicht, für Zwecke des Nachweises nach § 146 Abs. 7 BewG a.F. einen eigenständigen Begriff des gemeinen Werts zu kreieren. Der Begriff bleibe unverändert; er werde lediglich auf einen um die Belastungen korrigierten Bewertungsgegenstand angewendet.
Hinweis
1. Der BFH hält trotz des Nichtanwendungserlasses vom 01.03.2004 (BStBl I 2004, 272) und weiterhin entgegen H 17 Abs. 3 sowie H 177 ErbStR 2003 an seiner Entscheidung vom 08.10.2003, II R 27/02 (BFH/PR 2004, 106) fest, wonach der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts gem. § 146 Abs. 7 BewG a.F. (nunmehr § 138 Abs. 4 BewG) nur dann geführt ist, wenn der Wert ohne Berücksichtigung solcher Nutzungsrechte ermittelt worden ist, die auch bei der Bewertung nach den Absätzen 2 bis 6 der Vorschrift nicht berücksichtigt wurden.
2. Sprach der BFH damals noch von dem Erfordernis gleicher Bewertungsmaßstäbe, so stellt er heute – ohne einen Unterschied in der Sache – auf die Nämlichkeit der Bewertungsgegenstände ab. Damit wird deutlicher, dass es nicht um einen abweichenden Begriff des gemeinen Werts geht, sondern um den Bewertungsgegenstand. Natürlich mindern (teil-)unentgeltliche Nutzungsrechte Dritter den Verkehrswert eines Grundstücks. Im Rahmen des § 146 BewG a.F. – und zwar im Rahmen aller Absätze dieser Vorschrift – ist aber das Grundstück ohne Berücksichtigung dieser Belastungen zu bewerten. Dies ergibt sich aus der Bezugnahme des § 138 Abs. 3 BewG auf die §§ 2 und 68 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes. Ebenso, wie nach § 68 BewG (teil-)unentgeltliche Nutzungsrechte wie etwa Nießbrauchs- oder Wohnrechte nicht dem Grund und Boden zuzurechnen sind, gehören auch die entsprechenden Belastungen nicht dazu. Die solchermaßen begrenzte wirtschaftliche Einheit i.S.d. § 2 BewG ist Gegenstand jedweder Bewertung gem. den §§ 138 ff. BewG.
3. Nur bei Beachtung dieser Vorgaben lassen sich Unabgestimmtheiten mit den Regelungen in § 10 Abs. 1 S. 2 und § 25 ErbStG vermeiden. Soweit sich dagegen Friktionen bei der GrESt ergeben, sind diese eher hinzunehmen und ggf. dort zu glätten. Denn die §§ 138 ff. BewG sind in erster Linie für die Erbschaft- und Schenkungsteuer geschaffen. Die GrESt bildet lediglich einen Annex.
4. Die Belastungen aus den genannten Rechten Dritter sind ausschließlich im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung nach § 10 ErbStG zu berücksichtigen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 11.06.2008, II R 71/05