Leitsatz
Der Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines bebauten Grundstücks durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis ist auch dann möglich, wenn der Kauf nicht innerhalb eines Jahres vor oder nach dem maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt stattgefunden hat, aber die durch zeitlichen Abstand nachlassende Indizwirkung des Kaufpreises für den gemeinen Wert durch ein Gutachten des Gutachterausschusses, wonach der Bodenwert sich nicht geändert hat und dadurch ausgeglichen wird, dass auch die für § 146 Abs. 2 BewG maßgebliche erzielte Jahresmiete gleich geblieben ist.
Normenkette
§ 9 ErbStG , § 12 Abs. 3 ErbStG , § 146 Abs. 7 BewG
Sachverhalt
Die Klägerin erbte im November 1996 ein vermietetes ehemaliges Ziegeleigrundstück und veräußerte dieses im November 1999 an den bisherigen Mieter für 80.000 DM.
Das FA stellte den Grundstückswert bei einem Ertragswert von 84.000 DM auf den Mindestwert nach den §§ 146 Abs. 6, 145 Abs. 3 BewG – nämlich auf 153.000 DM – fest. Demgegenüber machte die Klägerin geltend, durch den erzielten Kaufpreis des Jahres 1999 habe sie einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks gem. § 146 Abs. 7 BewG von 80.000 DM nachgewiesen.
Das FG gab der Klage statt, nachdem der Gutachterausschuss mitgeteilt hatte, dass der Bodenwert sich zwischenzeitlich nicht verändert habe. Hinzu sei – so das FG – gekommen, dass auch die Miete gleich geblieben sei.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück. Wird der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts durch einen nach fast drei Jahren im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielten Kaufpreis für ein bebautes Grundstück durch eine gutachterliche Äußerung des Gutachterausschusses für Grundstückswerte ergänzt, aus der sich ergibt, dass die Bodenwerte – nicht nur die Bodenrichtwerte – seit dem Bewertungsstichtag unverändert geblieben sind, und ist auch die für § 146 Abs. 2 BewG maßgebliche erzielte Jahresmiete gleich geblieben, so ist die Schlussfolgerung, dass der Kaufpreis dem gemeinen Wert zum Stichtag entspricht, möglich.
Hinweis
Der Steuerpflichtige ist in der Wahl der Mittel zum Nachweis eines niedrigeren Werts i.S.d. §§ 145 Abs. 3 Satz 3, 146 Abs. 7 BewG frei (BFH, Urteil vom 8.10.2003, I R 27/02, BFH-PR 2004,106). Soll der Nachweis mittels des Kaufpreises, der bei einem Verkauf im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt worden ist, geführt werden, verlangt die Finanzverwaltung in R 177 Abs. 2 ErbStR 2003, dass der Verkauf innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag stattgefunden hat. Dabei handelt es sich jedoch nach Ansicht des BFH um keine starre Grenze.
Bei ausreichend objektivierbaren Indizien dafür, dass sich die Wertverhältnisse zwischenzeitlich nicht verändert haben, können auch frühere oder spätere Kaufpreise als Nachweis dienen. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Grad der Objektivierbarkeit sollte dem entsprechen, wie er im Streitfall durch eine Äußerung des Gutachterausschusses erreicht worden ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 2.7.2004, II R 55/01