Leitsatz
1. Der Annahme einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG 1993 steht nicht entgegen, wenn einzelne Wirtschaftsgüter nicht übertragen werden.
2. Eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG 1993 kann auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit – insbesondere auch für den Erwerber – offensichtlich ist.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a UStG 1993
Sachverhalt
Ein Unternehmer (U), der Baumaschinen vermietet hatte, nahm für die Anschaffung der Maschinen Kredite bei Banken in Anspruch. Zur Sicherung der Darlehensforderungen übereignete er die Baumaschinen und trat ihre Forderungen aus den Leasingverträgen an die Banken ab.
Nachdem U in Zahlungsschwierigkeiten gekommen war, legten die Banken gegenüber den Vertragspartnern die Sicherungszessionen offen und forderten die Zahlung der Miet-/Leasingraten direkt an sich. Alle Wirtschaftsgüter des U waren sicherungsübereignet, einzige Einnahmequelle die Marge aus den zuvor erwähnten Mietforderungen.
Mangels Masse lehnte das AG deshalb den Konkursantrag ab. Darauf vereinbarten U und X – zu gleichen Konditionen – den Beitritt zu den Verpflichtungen des U gegenüber der Bank sowie die Übertragung sämtlicher Ansprüche des U auf Freigabe der Sicherungs- und Anwartschaftsrechte an den zur Sicherung der Darlehen übereigneten Baumaschinen.
Mit gleichlautenden "Kauf- und Übertragungsverträgen" vereinbarten sie in Bezug auf jedes sicherungsübereignete Mietobjekt und den entsprechenden Mietvertrag, dass X beides mit allen Rechten und Pflichten übernahm. Die Banken erklärten sich mit dem Eintritt der X in die Verträge des U einverstanden. U erteilte der X jeweils die streitigen Rechnungen mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer.
Das FA meinte, rechtlich seien die Lieferungen den Banken zuzurechnen, weil diese von ihrem Verwertungsrecht Gebrauch gemacht hätten. Deshalb scheide ein Vorsteuerabzug aus Rechnungen des U aus. Das FG – EFG 2001, 393 – gab der Klage statt; es meinte, wenn der Sicherungsnehmer ausgetauscht werde, liege keine Verwertung durch die Bank vor.
Entscheidung
Die Revision des FA hatte deshalb Erfolg, weil FA und FG übersehen hatten, dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung vorlag und schon deshalb die ausgewiesene Umsatzsteuer nicht abziehbar war.
Hinweis
Vorsteuer darf nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung nur abgezogen werden, wenn eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet wird. Stellt ein Unternehmer für die Übertragung von Wirtschaftsgütern eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis aus und handelt es sich um eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung, gibt es keinen Vorsteuerabzug.
Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG zwar nur vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Beachten Sie, dass die ertragsteuerrechtlichen Kriterien nicht zwingend sind. Dort geht es um die stillen Reserven; bei der Umsatzsteuer handelt es sich letztlich um den Versuch einer Vereinfachung, die allerdings nur gerechtfertigt ist, wenn die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf einen anderen Unternehmer mit dem Ende der geschäftlichen Betätigung des Übertragenden einhergeht und kein "normaler" Umsatz ist. Es muss (nur) eine organische Zusammenfassung von Wirtschaftsgütern übertragen werden, die dem Erwerber die Fortführung des Unternehmens oder des Betriebsteils ohne großen finanziellen Aufwand ermöglicht (so bereits BFH, Urteil vom 4.7.2002, V R 10/01, BFH-PR 1/2003, 26).
Es ist nicht erforderlich, dass
- alle Wirtschaftsgüter übertragen werden,
- die Übertragung auf einem einzigen Kausalgeschäft beruht, wenn die – mehreren – Kausalgeschäfte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen.
- Die Zurückbehaltung wesentlicher Betriebsgrundlagen kann unschädlich sein, wenn sie dem Erwerber zur dauerhaften Nutzung überlassen werden.
- Die Übertragung muss aber offensichtlich – auch für den Erwerber! – der Beendigung der gesamten bisherigen gewerblichen Tätigkeit dienen.
Die Einschränkung ist wichtig; denn wenn eine Geschäftsveräußerung vorliegt, unterliegt das Rechtsgeschäft nicht der Umsatzsteuer; die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer darf der Erwerber nicht als Vorsteuer abziehen; häufig wird der Erwerber den vom Veräußerer vereinnahmten Betrag – wie der Streitfall zeigt – mangels Masse nicht zurückbekommen können.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.8.2002, V R 17/01