§ 58 Nr. 1 AO äußert sich – genau wie bisher § 58 Nr. 1 AO a.F. – nicht zur Frage der Zweckidentität, d.h. zu der Frage, ob die Empfängerkörperschaft denselben Zweck fördern muss wie die Geberkörperschaft als Mittelbeschaffungskörperschaft. Bislang wurde aber bei der Zuwendung von Mitteln im Rahmen des § 58 Nr. 1 AO a.F., also bei Mittelbeschaffungskörperschaften, Zweckidentität zwischen den beteiligten Körperschaften gefordert (AEAO zu § 58 Nr. 1 a.F.). Dagegen konnte im Rahmen des § 58 Nr. 2 AO a.F., bei der nur teilweisen Weitergabe von Mitteln, auch ein anderer steuerbegünstigter Zweck als der eigene Satzungszweck unterstützt werden.

In der Begründung zum Entwurf des neuen § 58 Nr. 1 AO heißt es, Mittelbeschaffungskörperschaften könnten nach der Neuregelung auch Körperschaften bedenken, die einen anderen Satzungszweck haben als die Geberkörperschaft. Dazu ist anzumerken: Die Geberkörperschaft legt in ihrer Satzung einen Zweck oder ggf. auch mehrere Zwecke fest. Außerdem unterstreicht die Satzungsklausel, der steuerbegünstigte Zweck werde durch die Weitergabe von Mitteln erfüllt, diese Zweckbestimmung. Wenn nun z.B. die Mittelbeschaffungskörperschaft ein Museum fördert, erscheint es als befremdlich, wenn die gesamten gesammelten Spenden einer Körperschaft zugewendet werden, die etwa den Motorsport fördert. Die Beispiele lassen sich vermehren. In das Bild, die Geschäftsführung einer steuerbegünstigten Körperschaft müsse gem. § 63 Abs. 1 AO "auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung" ihrer steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein, passt das nicht. § 58 Abs. 1 AO enthält auch nicht eine vollständige Abkehr von § 63 Abs. 1 AO, sondern lässt nur eine Ausnahme von dem Grundsatz zu, dass der gemeinnützige Zweck selbst unmittelbar erfüllt werden muss. Die Regelung lässt nur die Weiterleitung der Mittel zu. Bei einer anderen Auslegung käme es dazu, dass das Weiterleiten von Mitteln durch eine Mittelbeschafftungskörperschaft für – irgendeinen – steuerbegünstigten Zweck ab einem bestimmten Volumen tatsächlich faktisch ein neuer, eigenständiger Zweck i.S.d. § 52 Abs. 2 AO wäre. Das ist aber, wie die ausdrückliche Regelung in § 58 Nr. 1 S. 4 AO zum Ausdruck bringt, nicht gewollt und ginge auch über § 63 AO hinaus. § 58 Nr. 1 AO muss also in Bezug auf Mittelbeschaffungskörperschaften einengend ausgelegt werden. Das gilt jedenfalls, soweit es um das Gesamtvolumen der Mittel geht (a.A. Koenig, AO, 4. Aufl. 2021, § 58 Rz. 7: vollständiger Verzicht auf Zweckidentität, ohne Einschränkung auch AEAO zu § 58 Nr. 3 n.F.). Bei kleinen Beträgen, die im Verhältnis zum Gesamtvolumen der weitergegebenen Mittel von untergeordneter Bedeutung sind, ist dagegen auch bei Mittelbeschaffungskörperschaften eine Zweckidentität nicht notwendig.

Ähnliches gilt auch für die übrigen steuerbegünstigten Körperschaften. Bisher durften diese nach § 58 Nr. 2 AO a.F. nur "teilweise" ihre Mittel an andere Körperschaften weiterleiten. Die Auslegung ging dahin, dass eine "überwiegende" Weitergabe von Mitteln, ohne dass es hier eine feste Zahlengrenze gab, zu einer Mittelfehlverwendung führte. Die Neuregelung in § 58 Nr. 1 AO schweigt zu diesem Problem. Die Gesetzesbegründung will ausdrücklich keine Grenze für die Weitergabe von Mitteln festlegen. Dies soll, da bisher ein Verhältnis der weitergegebenen Mittel zum Gesamtvermögen der Geberkörperschaft zu ermitteln war, im Interesse des Bürokratieabbaus erfolgen.

Beraterhinweis Auch für diesen Fall ist zu überlegen, ob es trotzdem einen Punkt gibt, in dem es aufgrund des Umfangs der Weitergabe zu einem Verstoß gegen § 63 Abs. 1 AO kommt. Jedenfalls könnte eine Satzungsänderung erforderlich sein, wenn die Praxis der Körperschaft dahin geht, sich wie eine Mittelbeschaffungskörperschaft zu verhalten oder wenn sie ihren eigenen Satzungszweck nicht mehr überwiegend verfolgt.

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