Der Sachverhalt dieses bedeutsamen Urteils stellt sich wie folgt dar: Die Tätigkeit einer Holdinggesellschaft bestand im Ankauf, der Verwaltung und der Verwertung von eigenem Grundbesitz sowie der Projektierung, Sanierung und Erstellung von Bauvorhaben aller Art. Die Holding war als Kommanditistin an der X-KG und der Y-KG (Projektgesellschaften) beteiligt, die als Bauträger GmbH & Co. KGs bestimmte Bauobjekte errichteten und die einzelnen Wohneinheiten anschließend überwiegend umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG veräußerten. Die Projektgesellschaften waren somit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG). Neben der Klägerin waren jeweils noch eine weitere Kommanditistin sowie die Komplementär-GmbH an den Projektgesellschaften beteiligt. Die Komplementär-GmbH verfügte weder über Kapitalanteile noch über Stimmrechte.
Mit Ergänzungsvereinbarung zu den Gesellschaftsverträgen der X-KG und der Y-KG wurde vereinbart, dass die Klägerin unentgeltliche Dienstleistungen an die Projektgesellschaften zu erbringen habe (im Wege der Sacheinlage). Dazu gehörten Architektenleistungen, statische Berechnungen, Planungen des Wärme- und Schallschutzes, Planungen der Energieversorgung, Planungen von Kabel- und Telefonanschlüssen, Generalunternehmer-Dienstleistungen ohne Lieferung der Materialien, Erschließungsdienstleistungen ohne Lieferung der Materialien und externe Vertriebsdienstleistungen für die zu erstellenden Objekte. Diese Leistungen erbrachte die Klägerin teilweise mit eigenem Personal bzw. eigenen Geräten, teilweise mithilfe anderer Unternehmen. Die weitere, zweite Kommanditistin leistete jeweils ein Aufgeld als Gesellschafterbeitrag.
Ferner erbrachte die Holding entgeltliche Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen an die Projektgesellschaften wie die Einstellung und Entlassung von Personal, den Materialeinkauf, die Aufstellung des Jahresabschlusses sowie die Wahrnehmung der steuerlichen Verpflichtungen gegenüber dem Finanzamt. Ausdrücklich ausgenommen von den vereinbarten Geschäftsführungsleistungen waren Leistungen, die die Holding als Gesellschafterbeitrag zu leisten hatte. Auch aus diesen Eingangsleistungen begehrte die Holding den vollen Vorsteuerabzug.
Nach der eingangs geschilderten EuGH-Rechtsprechung würde der Holding grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug aus bezogenen Eingangsleistungen zustehen (in diesem Sinne hatte auch das FG Niedersachsen entschieden). Auf Basis dieser Entscheidung wurde in der Literatur die Schlussfolgerung gezogen, dass der Vorsteuerabzug in bisher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Branchen (z.B. im Baugewerbe, in der Versicherungsbranche und bei Finanzdienstleistungen) durch die gezielte Zwischenschaltung einer Muttergesellschaft in den Leistungsbezug der Tochtergesellschaft ermöglicht werden könnte. Da der BFH dieses Ergebnis jedoch für nicht systemgerecht und entsprechende Gestaltungen für typischerweise rechtsmissbräuchlich hielt, hatte er mit Vorlagebeschluss vom 23.9.2020 den EuGH angerufen und um Beantwortung seiner beiden Vorlagefragen gebeten.