Leitsatz
1. Die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Altersrenten durch das Alterseinkünftegesetz ist verfassungsmäßig, sofern das Verbot der Doppelbesteuerung eingehalten wird. § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG verletzt weder das Recht des Steuerpflichtigen auf Gleichbehandlung noch sein Vertrauen auf Beibehaltung der Ertragsanteilsbesteuerung seiner Renteneinkünfte (Bestätigung des Senatsurteils vom 26.11.2008, X R 15/07, BFH/NV 2009, 278, BFH/PR 2009, 90).
2. Bei der Anwendung der Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG kommt es darauf an, für welche Jahre der Steuerpflichtige die Beiträge geleistet hat (gegen BMF-Schreiben vom 30.01.2008, BStBl I 2008, 390, Rz. 137).
Normenkette
§ 22 Nr. 1 a, aa und bb, § 10 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG 2005, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG
Sachverhalt
Der Kläger bezog seit 1996 eine Rente aus einer gesetzlichen Rentenversicherung. Er war überwiegend als Wirtschaftsprüfer selbstständig tätig gewesen. Er zahlte 1972 für 1956 bis 1972 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nach. Dabei lagen seine Einzahlungen in mehr als 10 Jahren oberhalb der Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung.
Vorverfahren und Klage blieben erfolglos. Das FG (FG Münster, Urteil vom 14.10.2008, 14 K 2406/06 E, Haufe-Index 2079091, EFG 2009, 112) wies die Klage ab. Die Voraussetzungen der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3a bb S. 2 EStG lägen nicht vor. Bei der Prüfung, ob nachgezahlte Beiträge die jährlichen Höchstbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung überschritten, sei der Zahlungszeitraum maßgeblich und nicht der Zeitraum, für den die Nachzahlungen erbracht würden.
Entscheidung
Die Revision des Klägers war teilweise erfolgreich: Der BFH bestätigte zwar grundsätzlich die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Altersrente des Klägers mit dem Besteuerungsanteil, bejahte aber auch die Anwendbarkeit der Öffnungsklausel für einen Teil der Rente. Zur Ermittlung der Höhe dieses Anteils verwies er das Verfahren an das FG zurück.
Hinweis
Dieses Urteil enthält zwei wichtige Grundaussagen: Zum einen bestätigt es die prinzipielle Verfassungsmäßigkeit der seit 2005 geltenden Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte. Zum anderen enthält es die erste höchstrichterliche Überprüfung der sog. Öffnungsklausel.
1. Während in dem BFH-Urteil vom 26.11.2008, X R 15/07 (BFH/NV 2009, 278, BFH/PR 2009, 90) die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit anhand des Gleichheitssatzes im Vordergrund stand, lag in dieser Entscheidung das Schwergewicht auf der Prüfung des Vertrauensschutzes. Der X. Senat sieht in der Neuregelung eine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung, bei der das Gemeinwohlinteresse an der Herstellung einer verfassungsmäßigen Besteuerung der Alterseinkünfte das Interesse des Einzelnen am Fortbestand der Ertragsanteilsbesteuerung seiner Altersrenten – trotz einer erhöhten Schutzwürdigkeit – überwiegt.
Eine weitere wichtige Aussage ist das Bekenntnis des X. Senats zur Anwendbarkeit des Nominalwertprinzips bei der Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung.
2. Für viele Steuerpflichtige positiv ist die Auslegung der Öffnungsklausel in § 22 Nr. 1 S. 3a bb S. 2 EStG durch den BFH. Nach dieser Vorschrift unterliegen auf Antrag auch Renten der gesetzlichen Rentenversicherung oder der berufsständischen Versorgung der (günstigen) Ertragsanteilsbesteuerung, soweit sie auf bis zum 31.12.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Der Steuerpflichtige muss nachweisen, dass der Höchstbeitrag mindestens zehn Jahre überschritten wurde.
Im Gegensatz zur Auffassung der Finanzverwaltung und von weiten Teilen des Schrifttums ist nach Auffassung des BFH das In-Prinzip nicht uneingeschränkt anwendbar, das ansonsten den Bereich der Sonderausgaben beherrscht. Für die Berechnung der Zehnjahresfrist kommt es damit nicht allein darauf an, in welchem Jahr die Beiträge gezahlt wurden, sondern auch darauf, für welche Jahre die Beiträge geleistet wurden. Der BFH sieht es nicht als sachgerecht an, lediglich auf das Jahr der Beitragszahlung abzustellen. Es handle sich hier nicht um das Problem, in welchem Jahr Altersvorsorgeaufwendungen abgezogen werden können, sondern um die Vermeidung einer möglichen verfassungswidrigen Doppelbesteuerung, die dadurch entstehe, dass ein Steuerpflichtiger eine Altersrente als Einnahme versteuern müsse, obwohl er die von ihm getragenen Beiträge, aufgrund derer er die Rente erhält, gerade wegen deren Höhe nicht bzw. nur eingeschränkt als Sonderausgaben abziehen durfte.
Diese Auslegung ist insbesondere für die Steuerpflichtigen positiv, die in den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Möglichkeit wahrgenommen hatten, sich in der gesetzlichen Rentenversicherung nachzuversichern, und dabei die jeweils geltenden Höchstbeiträge überschritten haben. Dagegen kann diese Auslegung bei den Steuerpflichtigen zu Problemen führen, die e...