Leitsatz
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG i.d.F. des AltEinkG ist mit der Verfassung vereinbar.
Normenkette
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 10 Abs. 3, § 9 Abs. 1, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a , Doppelbuchst. aa, § 39a Abs. 1 EStG, Art. 3, Art. 19 Abs. 4 GG ,
Sachverhalt
Der im Jahr 1959 geborene Beschwerdeführer ist als Steuerberater nicht selbstständig tätig. Im Lohnsteuer-Ermäßigungsverfahren für 2006 beantragte er beim zuständigen FA erfolglos, wegen der von ihm zu leistenden Beiträge an das Versorgungswerk einen Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte einzutragen, weil die Beiträge eintragungsfähige vorweggenommene Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG seien. Sie dienten objektiv und subjektiv der Erzielung künftiger steuerpflichtiger Renteneinnahmen. Eine bloße Berücksichtigung als Sonderausgaben scheide aus. Hilfsweise beantragte der Beschwerdeführer die Eintragung eines Freibetrags für Sonderausgaben. Soweit dem die Vorschrift des § 39a Abs. 1 EStG entgegenstehe, gebe es dafür keine sachlichen Gründe. Vorverfahren, Klage (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2006, 10 K 171/06, EFG 2014, 1481) und Revision (BFH, Urteil vom 9.12.2009, X R 28/07, BFH/NV 2010, 334, BFHE 227, 165; BStBl II 2010, 348) hatten keinen Erfolg.
Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG.
Entscheidung
Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Die in der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen seien durch die Rechtsprechung des BVerfG bereits geklärt oder ließen sich ohne Weiteres auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung beantworten. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde sei auch nicht zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt, weil sie jedenfalls unbegründet sei.
Hinweis
Sowohl mit diesem als auch mit dem inhaltsgleichen Beschluss 2 BvR 290/10 vom selben Tage (Haufe-Index 9533954) hat das BVerfG die Erwartung all derer enttäuscht, die gehofft hatten, dass das BVerfG zumindest die steuerliche Behandlung der Altersvorsorgeaufwendungen als verfassungswidrig ansehen würde, nachdem das Gericht im September 2015 bereits die Rentenbesteuerung im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht beanstandet hatte.
Die wichtigsten Erkenntnisse der umfangreich begründeten Beschlüsse, mit denen die ständige Rechtsprechung des BFH und der FG bestätigt wird, sind:
1. Der Gesetzgeber war von Verfassungs wegen nicht daran gehindert, Altersvorsorgeaufwendungen einfachrechtlich als Sonderausgaben zu qualifizieren.
2. Mittelbare Nachteile müssen nicht isoliert betrachtet werden, sondern können in den Kontext mit anderen, teils vorteilhaften Folgen der Qualifikation der Altersvorsorgebeiträge als Sonderausgaben gesehen werden.
3. Die Beschränkung des Sonderausgabenabzugs für Altersvorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs. 3 auf 20.000 EUR (ab 2015 Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da diese der Missbrauchsbekämpfung dient.
4. Die Übergangsregelung des § 10 Abs. 3 Sätze 4 bis 6 EStG begegnet ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die unvollständige Abstimmung des Umfangs der abziehbaren Altersvorsorgeaufwendungen mit dem voraussichtlichen Besteuerungsanteil der künftigen Rentenzuflüsse ist für den Übergangszeitraum durch die der Regelung zugrunde liegenden Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
5. Aus dem Verbot doppelter Besteuerung lässt sich kein Anspruch auf eine bestimmte Abzugsfähigkeit von Altersvorsorgebeiträgen in der Aufbauphase ableiten.
6. Eine Verletzung des Doppelbesteuerungsverbots kann in der Aufbauphase nicht gerügt werden; sie kann erst in den Veranlagungszeiträumen der Rentenbesteuerung zum Gegenstand der verfassungsrechtlichen Beurteilung gemacht werden. Dies gilt auch, soweit sie durch die Übergangsregelung verursacht werden sollte.
7. Die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern gegenüber Beamten im Rahmen der Übergangsregelung ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.
8. Verfassungsrechtlich unbedenklich ist schließlich auch § 39a Abs. 1 EStG, wonach für Altersvorsorgeaufwendungen kein Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte eingetragen werden kann.
Nach diesen doch sehr eindeutigen Entscheidungen des BVerfG ist zu erwarten, dass die Finanzverwaltung die Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung hinsichtlich der beschränkten Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen sowie hinsichtlich der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zur Rentenversicherung als vorweggenommene Werbungskosten beenden wird.
Link zur Entscheidung
BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.06.2016, 2 BvR 323/10