6.1 Interprofessionelle Zusammenarbeit ausweiten
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum 1.8.2022 können Steuerberater und Steuerbevollmächtigte mit allen Angehörigen der Freien Berufs i. S. d. § 1 Abs. 2 PartGG in einer Berufsausübungsgesellschaft zusammenarbeiten. Zu dem Personenkreis des § 1 Abs. 2 PartGG gehören z. B. Ärzte, beratende Volks- und Betriebswirte und hauptberufliche Sachverständige. Diese können künftig neben Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten sowohl Gesellschafter als auch Geschäftsführer einer Berufsausübungsgesellschaft sein. Dies eröffnet Steuerberatern und Steuerbevollmächtigten neue Möglichkeiten zur Stärkung ihrer Wettbewerbsposition. Das Dienstleistungsangebot kann durch die Zusammenarbeit mit weiteren Berufsgruppen ausgeweitet oder verbessert werden. So kann z. B. der Stellenwert der betriebswirtschaftlichen Beratung als eigenständigem Beratungsfeld durch einen Zusammenschluss mit Unternehmensberatern, die über die Qualifikation als Volks- oder Betriebswirt verfügen, erhöht werden. Durch einen Zusammenschluss mit weiteren Berufsgruppen kann zudem die Erwartungshaltung der Mandanten nach einer ganzheitlichen Beratung aus einer Hand erfüllt werden, z. B. durch einen Zusammenschluss mit Bewertungssachverständigen bei einer auf Unternehmensnachfolge spezialisierten Kanzlei.
6.2 Beratungsbefugnis ausweiten
Bisher ist eine Steuerberatungsgesellschaft, die nicht gleichzeitig als Rechtsanwaltsgesellschaft anerkannt ist, nur zur Steuerberatung befugt. Dies gilt auch, wenn ein Rechtsanwalt als Gesellschafter beteiligt und zur Vertretung befugt ist. So ist z. B. eine GmbH, die nur als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt ist, nicht zur Rechtsberatung befugt, auch wenn ein Rechtsanwalt Gesellschafter und Geschäftsführer dieser Gesellschaft ist.
Zukünftig hängt die Befugnis zur Rechtsberatung nicht mehr von der Anerkennung als Rechtsanwaltsgesellschaft ab. Entscheidend für die Rechtsberatungsbefugnis ist vielmehr, ob eine Berufsausübungsgesellschaft i. S. d. BRAO vorliegt. Dies ist der Fall, wenn sich ein Rechtsanwalt mit einem Steuerberater in einer Gesellschaft zur Ausübung seines Berufs, z. B. in einer GmbH, zusammenschließt.
Eine nach jetzigem Recht anerkannte Steuerberatungsgesellschaft, in der sich ein Rechtsanwalt mit Steuerberatern zusammengeschlossen hat, wird zur Berufsausübungsgesellschaft i. S. d. BRAO, wenn die Gesellschaft auch der Ausübung des Rechtsanwaltsberufs des Rechtsanwalts-Gesellschafters dient. Dafür ist Voraussetzung, dass der Gesellschaftszweck nicht auf die Steuerberatung beschränkt, sondern auch auf die darüber hinausgehende Erbringung von Rechtsdienstleistungen gerichtet ist. Durch eine entsprechende Ausweitung des Gesellschaftszwecks kann also eine Steuerberatungsgesellschaft, an der ein Rechtsanwalt beteiligt ist, zu einer Berufsausübungsgesellschaft i. S. d. BRAO werden und dadurch die Befugnis zur umfassenden Rechtsberatung erlangen.
6.3 Haftung beschränken
Durch die Gesetzesnovelle ergeben sich neue Möglichkeiten der Haftungsbeschränkung bei der interprofessionellen Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten.
Den weitestgehenden Schutz vor einer persönlichen Haftung bieten die GmbH und die AG. Bisher ist ein Zusammenschluss von Steuerberatern und Rechtsanwälten in einer GmbH oder AG, die zur Steuer- und Rechtsberatung befugt ist, jedoch nur möglich, wenn diese als Steuerberatungs- und Rechtsanwaltsgesellschaft anerkannt ist. Bei der Anerkennung sind bzw. waren jedoch Mehrheitserfordernisse der jeweiligen Berufsrechte zu beachten, die im Ergebnis nur erfüllbar sind, wenn die Geschäftsführer über eine Doppelqualifikation als Rechtsanwalt und Steuerberater verfügen.
Mit dem Inkrafttreten der Gesetzesnovelle entfallen die Mehrheitserfordernisse, auch für den Zusammenschluss in einer GmbH oder AG. Für die interprofessionelle Zusammenarbeit in einer GmbH oder AG reicht es zukünftig aus, wenn Steuerberater und Rechtsanwälte dem Geschäftsführungsorgan der Berufsausübungsgesellschaft in vertretungsberechtigter Zahl angehören. Steuerberater und Rechtsanwälte können sich also leichter als bisher durch eine Zusammenarbeit in einer GmbH oder AG vor einer persönlichen Haftung schützen.
6.4 Neue Kooperationen eingehen
Die bisherigen Kooperationsbeschränkungen in § 56 Abs. 5 StBerG entfallen. Aufgrund der Streichung des § 56 Abs. 5 StBerG ist künftig grundsätzlich auch eine Kooperation mit einem Gewerbetreibenden (z. B. einer Bank) zulässig. (vgl. Ruppert, Neuordnung des Berufsrechts der Berufsausübungsgesellschaften, DStR 2021, 2090, 2096).