Grundzüge und Auswirkungen auf die aktuelle Beratungspraxis

[Ohne Titel]

Harald Schwetlik, RA/StB / Dr. Holger Mach, StB[*]

Gegenstand dieses Beitrages ist die Neuregelung organschaftlich verursachter Abführungsdivergenzen durch das sog. Einlagemodell. Im Rahmen des JStG 2022 wurde der zwecks Implementierung des Einlagemodells neugefasste § 14 Abs. 4 KStG (nebst Übergangsregelung, vgl. § 34 Abs. 6e KStG) nochmals punktuell überarbeitet. Dieser Beitrag bezieht sich auf die im JStG 2022 geregelte, aktuell geltende Fassung dieser beiden Vorschriften. Unter I. werden die Grundzüge dieses Einlagemodells und deren Auswirkungen auf die aktuelle Beratungspraxis dargestellt. Anschließend erfolgt eine Analyse spezieller, aber praxisrelevanter Sonderfragen: Vermeidung eines Ertrages aus der Auflösung passiver Ausgleichsposten (II.), Abführungsdivergenzen bei Umwandlungen auf eine Organgesellschaft (III.) und mittelbare Organschaften (IV.)

[*] Die Autoren sind tätig bei Ebner Stolz, Hamburg.

I. Skizzierung der Kernproblematik

1. Definition der Abführungsdivergenzen

Im Rahmen einer ertragsteuerlichen Organschaft kommt es zu Abführungsdivergenzen, soweit das handelsrechtliche Ergebnis der Organgesellschaft (OG) von ihrem Einkommen abweicht, das dem Organträger (OT) steuerlich zugerechnet wird.

Eine Minderabführung liegt vor, wenn das handelsrechtliche Ergebnis das steuerliche Ergebnis unterschreitet; im umgekehrten Fall spricht man von einer Mehrabführung (§ 14 Abs. 4 S. 3 KStG).[1]

Typische Fälle solcher Abführungsdivergenzen sind insbesondere:

  • Bildung und Auflösung von Gewinnrücklagen durch die OG;
  • Bewertungsdifferenzen zwischen Handels- und Steuerbilanz;
  • unterschiedliche Abschreibungen in Handels- und Steuerbilanz;
  • steuerbilanzielle Passivierungsverbote;
  • Ausgleich eines vororganschaftlichen handelsbilanziellen Verlustvortrages der OG.[2]
[1] Vgl. zu dieser Legaldefinition: Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 14 KStG Rz. 818 ff. (Dez. 2021); Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 KStG Rz. 891 ff. m.w.N. (Juni 2022).
[2] Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz. 727, 728 (Dez. 2019); Dötsch, Ubg 2008, 116 m.w.N.; s.a. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 14 KStG Rz. 955a–1000 m.w.N. (Dez. 2021); Walter in Bott/Walter, KStG, § 14 KStG Rz. 979 ff. (Juni 2022).

2. Steuerliche Erfassung von Abführungsdivergenzen

§ 14 Abs. 3 KStG regelt die vororganschaftlich verursachten Abführungsdivergenzen, § 14 Abs. 4 KStG die in organschaftlicher Zeit verursachten Abführungsdivergenzen.

Durch die steuerliche Erfassung der Mehrabführungen soll die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge auf Ebene des OT sichergestellt werden. Die steuerliche Behandlung der Minderabführungen dient demgegenüber der Vermeidung einer steuerlichen Doppelbelastung des OT.[3]

Beachten Sie: Eine organschaftliche Abführungsdivergenz setzt nicht voraus, dass der Differenzbetrag tatsächlich zwischen OG und OT transferiert wird; insbesondere kommt es i.R.d. § 14 Abs. 3, 4 KStG allein auf die rechnerische Differenz zwischen

  • handelsrechtlicher Gewinnabführung/Verlustübernahme und
  • dem Steuerbilanzgewinn/Steuerbilanzverlust an.[4]
[3] BFH v. 15.3.2017 – I R 67/15, GmbHR 2017, 991 = GmbH-StB 2017, 266 (Schwetlik); Freeden/Lange, DB 2017, 2055; Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 14 KStG Rz. 818 (Dez. 2021); Walter in Walter/Bott, KStG, § 14 KStG Rz. 979 ff. (Juni 2022).
[4] BFH v. 6.6.2013 – I R 38/11, BStBl. II 2014, 398 = GmbH-StB 2013, 335 (Böing); H 14.8 KStR (Sep. 2022); Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 14 KStG Rz. 821 (Dez. 2021).

3. Bisherige Regelung

Bis einschließlich Veranlagungszeitraum (VZ) 2021 wurden in organschaftlicher Zeit verursachte Abführungsdivergenzen wie folgt behandelt (vgl. § 14 Abs. 4 KStG a.F.):

  • In Höhe der Abführungsdivergenz war auf Ebene des OT bei einer Minderabführung ein aktiver Ausgleichsposten und bei einer Mehrabführung ein passiver Ausgleichsposten zu bilden. Bei der Beteiligung von Minderheitsgesellschaftern an der OG reduzierten sich die Ausgleichsposten entsprechend zur Beteiligungsquote des OT.
  • Die Ausgleichsposten stellten einen Korrekturposten zum steuerlichen Buchwert der Beteiligung des OT an der OG dar.
  • Eine Minderabführung erhöhte das steuerliche Einlagekonto der OG, eine Mehrabführung minderte es.
  • Bei Veräußerung der Organbeteiligung waren die Ausgleichsposten aufzulösen. Ein aktiver Ausgleichsposten minderte den Veräußerungsgewinn, ein passiver Ausgleichsposten erhöhte diesen.

4. Neuregelung (Einlagemodell)

Mit der ab VZ 2022 geltenden – durch das JStG 2022 nochmals modifizierten – Neufassung des § 14 Abs. 4 KStG wurde die bisherige Ausgleichspostenregelung durch eine "einfache Einlagelösung" ersetzt – und zwar dahingehend, dass

  • Minderabführungen als Einlage und
  • Mehrabführungen als Einlagenrückgewähr

zu behandeln sind.

Zur Klarstellung: Das Einlagemodell betrifft ausschließlich in organschaftlicher Zeit verursachte Abführungsdivergenzen, d.h. die in § 14 Abs. 3 KStG geregelte Behandlung vororganschaftlich verursachter Abführungsdivergenzen wird durch das Einlagemodell nicht tangiert.

Reaktion der Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben v. 29.9.2022: Die Finanzverwaltung hat auf das Einlagemodell zei...

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