Leitsatz
Die hälftige Umsatzsteuer auf den Erwerb eines Pkw, die im Jahr 1999 nach ? 15 Abs. 1b UStG nicht als Vorsteuer abgezogen worden ist, obwohl unter Berufung auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG der volle Vorsteuerabzug für den Pkw hätte geltend gemacht werden können, gehört zu den Anschaffungskosten des Pkw. Sie kann nicht sofort als Betriebsausgabe abgezogen werden.
Die Ausnahmeregelungen des ? 9b Abs. 1 Satz 2 EStG in der bis zu seiner Aufhebung durch das StÄndG 2001 geltenden Fassung greifen nicht ein.
Normenkette
? 9b Abs. 1 Satz 2 EStG a.F.
Sachverhalt
Der Kläger meldete im November 1999 einen Kurierdienst als Gewerbe an und erwarb einen Pkw, den er auch privat nutzte. In der USt-Erklärung 1999 gab er die Hälfte der in Rechnung gestellten USt als abziehbare Vorsteuer an. In seiner Einnahme-Überschuss-Rechnung rechnete er die nicht abziehbare hälftige Vorsteuer den Anschaffungskosten des Pkw hinzu. Das FA veranlagte erklärungsgemäß. Später beantragte der Kläger die Änderung des Bescheids und machte beim FA und vor dem FG die nicht abziehbare Vorsteuer vergeblich als Betriebsausgabe geltend.
Entscheidung
Auch die Revision blieb ohne Erfolg. Mit der überwiegenden Schrifttumsmeinung ließ der BFH die für den Pkw in Rechnung gestellte USt nicht zum sofortigen Abzug als Betriebsausgabe zu, soweit sie vom Kläger – obwohl er dies unter Berufung auf das beim EuGH anhängige Musterverfahren hätte geltend machen können – im Rahmen der USt-Festsetzung nicht als Vorsteuer abgezogen worden ist.
Hinweis
? 15b Abs. 1b UStG wurde mit Wirkung ab 1.4.1999 in das UStG eingefügt (StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999, BGBl I 1999, 402). Danach sind Vorsteuerbeträge, die auf die Anschaffung gemischt genutzter Fahrzeuge, insbesondere Pkw, entfallen, nur zu 50 % abziehbar. Umstritten war, ob der hälftige nicht abziehbare Vorsteueranteil unter die Vereinfachungsregel des ? 9b Abs. 1 Satz 2 a.F. EStG fällt. Nach dieser Regelung brauchte der nicht abziehbare Teil der Vorsteuer nicht den Anschaffungskosten/Herstellungskosten zugerechnet zu werden, sondern war sofort als Betriebsausgabe abziehbar, wenn er 25 % des Vorsteuerbetrags und 500 DM nicht überstieg (Nr. 1), oder wenn die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätze nicht mehr als 3 % des Gesamtumsatzes betrugen (Nr. 2).
Nach einer Meinung war die Vereinfachungsregelung bei einem gemischt genutzten Pkw anwendbar und die nicht abziehbare Vorsteuer als Aufwand zu behandeln, da derjenige, der generell die USt nicht zu den Anschaffungskosten rechne, dies auch in einem Ausnahmefall nicht tun müsse. Die überwiegende Meinung ging dagegen dahin, die Vereinfachungsregel betreffe die Fälle, in denen ein erworbenes Wirtschaftsgut zum Teil für steuerpflichtige und zum Teil für steuerfreie Umsätze verwendet werde und die Abziehbarkeit der Vorsteuer dem Grund nach nicht ausgeschlossen sei. ? 9b Abs. 1 Satz 2 EStG sei eine Sonderregel zu dem Zweck, Unternehmen mit nahezu ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen wegen geringfügiger "schädlicher" Umsätze buchhalterische Komplikationen zu ersparen.
Dieser Ausnahmecharakter spreche gegen eine Einbeziehung der Fälle des ? 15 Abs. 1b UStG in die Vereinfachungsregelung. Denn mit der Kappung der abziehbaren Vorsteuer beim gemischt genutzten Pkw unabhängig vom Umfang der Nutzungsanteile sei eine einfache Handhabung gewährleistet, die keine buchhalterischen Komplikationen ergebe. Der BFH hat sich mit dieser Begründung der überwiegenden Schrifttumsmeinung angeschlossen.
Die Frage, ob nach ? 15 Abs. 1b UStG nicht abziehbare Vorsteuerbeträge von ? 9b Abs. 1 EStG erfasst werden, hat sich nach Aufhebung des ? 9b Abs. 1 Satz 2 EStG durch das StÄndG vom 20.12.2001 (BGBl I 2001, 3794) mit Wirkung ab 1.1.2002 und des ? 15 Abs. 1b UStG durch das StÄndG 2003 vom 15.12.2003 (BGBl I 2003, 2645) ab 1.1.2004 inzwischen erledigt. Bereits mit Urteil vom 15.7.2004, V R 30/00 (BFH-PR 2004, 448) hat der BFH als Nachfolgeentscheidung zum Urteil des EuGH vom 29.4.2004, Rs. C-17/01 (Umsatzsteuer-Rundschau 2004, 315) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger sich im Besteuerungszeitraum 1999 unmittelbar auf Art. 17 der 6. EG-Richtlinie berufen könne und ihm der volle Vorsteuerabzug für ein dem Unternehmen zugeordnetes gemischt genutztes Fahrzeug zustehe.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 3.3.2005, III R 72/03