Leitsatz
1. Wenn der Erwerber einer verpachteten Gewerbe-Immobilie, der anstelle des Veräußerers in den Pachtvertrag eingetreten ist, anschließend wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Pächters auf Pachtzinszahlungen verzichtet und mit dem Pächter vereinbart, dass die Zahlungen wieder aufzunehmen sind, wenn sich die finanzielle Situation des Pächters deutlich verbessert, kann i.d.R. nicht bereits eine unentgeltliche nichtunternehmerische Tätigkeit angenommen werden.
2. Auch eine derartige Übertragung einer verpachteten Gewerbe-Immobilie kann eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG sein.
Normenkette
§ 1 Abs. 1a UStG , § 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG , Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL
Sachverhalt
Der Kläger war Geschäftsführer der ihm und überwiegend seinen Eltern gehörenden GmbH. Er erwarb deren GmbH-Anteile sowie das diesen gehörende Grundstück, auf dem die GmbH ihre Spedition betrieb, gegen Übernahme der Betriebsschulden und im Übrigen schenkweise. Er trat anstelle seiner Eltern in den Mietvertrag mit der GmbH ein. Die GmbH hatte zum Übertragungszeitpunkt (Dezember 1998) seit Jahren die vereinbarte Miete nicht gezahlt, weil sie hierzu wirtschaftlich nicht in der Lage war. Vereinbarungsgemäß verzichtete der Kläger zunächst auf die Mietzahlungen, die bei Verbesserung der finanziellen Situation der GmbH aufzunehmen waren. Die GmbH wurde im April 2000 insolvent.
Streitig war, ob der Kläger 1999 Organträger war. Das FG meinte, der Kläger sei 1999 nicht nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig und deshalb kein Unternehmer gewesen, weil er und zuvor die Eltern tatsächlich keine Pacht vereinnahmt hatten.
Entscheidung
Der BFH sah dies anders; der Kläger hatte ein Verpachtungsunternehmen von den Eltern erworben. Die bereits seit Jahren bestehenden Pachtrückstände der GmbH änderten hieran nichts. Mangels Beendigung trat der Kläger zivilrechtlich in den Pachtvertrag ein mit der Absicht, die entgeltliche Vermietungstätigkeit nach einer Besserung der wirtschaftlichen Situation der GmbH fortzusetzen. Dem Verzicht auf die Pacht bis zur Besserung der wirtschaftlichen Situation der GmbH maß der BFH deshalb keine entscheidende Bedeutung bei.
Hinweis
Die Besprechungsentscheidung betrifft Fragen zur Organschaft, zur Unternehmereigenschaft und zur Geschäftsveräußerung bei verpachteten Immobilien: Beachten Sie: DieVeräußerung einer verpachteten oder vermieteten Immobilie mit Fortführung des Pacht-/Mietverhältnisses ist i.d.R. eine Geschäftsveräußerung i.S.d. § 1 Abs. 1a UStG.
1. Voraussetzung einer Organschaft ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG die finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung einer juristischen Person in ein Unternehmen. Organträger kann daher alles sein, was auch "Unternehmer" sein kann. Eine Person ohne eigene wirtschaftliche Tätigkeit kann deshalb grundsätzlich nicht Organträger sein (offen lassend BFH, Urteil vom 22.5.2003, V R 94/01, BFH-PR 2003, 462).
Bei einer Betriebsaufspaltung kann z.B. die Besitzpersonengesellschaft aufgrund der entgeltlichen Verpachtung des Betriebsgrundstücks Organträger sein. Für die Unternehmereigenschaft ist unerheblich, an wen die entgeltlichen Leistungen erbracht werden. Sie können auch an eine Gesellschaft erbracht werden, mit der als Folge dieser Leistungstätigkeit eine enge finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Verbindung besteht (BFH, Urteil vom 9.10.2002, V R 64/99, BFH-PR 2003, 105).
2. Die Unternehmereigenschaft ist i.d.R. nicht schon deshalb zu verneinen, wenn bei einem Pachtvertrag der Verpächter vorübergehend aus betrieblichen Gründen auf das Entgelt verzichtet. Es müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Unternehmer eine wirtschaftliche Tätigkeit endgültig aufgeben wollte oder – z.B. bei anfänglichem Verzicht auf die Pacht um einen interessanten Pächter zu bekommen – nicht aufnehmen wollte (vgl. BFH, Urteil vom 11.12.2003, V R 48/02, BFH-PR 2004, 192).
3. Nach § 1 Abs. 1a UStG 1993 unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der USt. Der Erwerb eines Grundstücks unter Fortführung des Pacht- oder Mietvertrags erfüllt i.d.R. diese Voraussetzungen, denn damit wird i.S.d. Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-RL ein Gesamtvermögen zur Fortführung erworben. Letzteres ist Voraussetzung für die Annahme einer nach § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbaren Geschäftsveräußerung (zur Abgrenzung: BFH, Urteil vom 18.1.2005, V R 53/02, BFH-PR 2005, 223). Fraglich war im Besprechungsfall, ob eine Fortführung eines Verpachtungsunternehmens auch dann anzunehmen ist, wenn die Pacht vor der Übertragung wegen der finanziellen Situation des Pächters tatsächlich nicht gezahlt worden ist und der Erwerber bis zur Besserung der Situation zunächst auf die Pacht verzichtet.
Dass der Pächter das vereinbarte Pachtentgelt – Entgelt für eine Leistung – nicht zahlt, berührt die Unternehmereigenschaft des Verpächters grundsätzlich nicht. Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt des...