Leitsatz
1. Hat die nach dem AMG fachlich zuständige Behörde entschieden, dass es sich bei den in einer Postsendung enthaltenen Produkten um Arzneimittel handelt, die gemäß § 73 AMG einem Verbringungsverbot unterliegen, so ist das HZA an diese Entscheidung gebunden.
2. Ob die Entscheidung der zuständigen Arzneimittelbehörde rechtmäßig ist, kann wegen der Feststellungswirkung der fachbehördlichen Entscheidung im finanzgerichtlichen Verfahren nicht überprüft werden. Rechtsschutz ist insoweit im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu suchen.
Normenkette
§ 1, § 7 Abs. 1 Nr. 3, § 12 ZollVG, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3, Art. 83, Art. 84 Abs. 1 GG, Art. 134 Abs. 1, Art. 172, Art. 194 Abs. 1 UZK, § 2 Abs. 1, § 69, § 73, § 74, § 77 AMG, § 13 Abs. 1 Satz 2 AMGVwV, § 76 Abs. 1 Satz 1, § 155 FGO, § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, § 3 VwVfG, § 40 VwGO
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Nichtannahme einer Zollanmeldung wegen eines Verstoßes gegen das Verbringungsverbot nach § 73 AMG.
Die Zollbehörden hielten eine an den Kläger gerichtete Postsendung aus den USA wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das AMG an. Das HZA leitete den Vorgang mit der Bitte um Prüfung an die Arzneimittelbehörde weiter. Diese kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei vier der in der Postsendung enthaltenen Produkte um nicht einfuhrfähige Arzneimittel handle, die gemäß § 73 AMG einem Verbringungsverbot unterlägen und somit nicht im Postverkehr eingeführt werden dürften.
Das HZA teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid mit, dass die Zollanmeldung nicht angenommen werden könne. Die nicht einfuhrfähigen Waren wurden zur weiteren Bearbeitung an die Arzneimittelbehörde weitergeleitet. Der Kläger könne sich an diese wegen eventueller Fragen wenden. Bezeichnung, Anschrift und Telefonnummer wurden in dem Bescheid genannt.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG entschied, dass das HZA die Annahme der Zollanmeldung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 3 ZollVG habe ablehnen müssen; denn für die nicht einfuhrfähigen Arzneimittel bestehe ein Einfuhrverbot gemäß § 73 AMG (FG des Saarlandes, Urteil vom 28.11.2018, 3 K 1330/16). Es handle sich um Arzneimittel i.S.v. § 2 Abs. 1 AMG und die Voraussetzungen für eine Ausnahme von dem Verbringungsverbot lägen nicht vor. Dies ergebe sich für die betroffenen Präparate aus den nachvollziehbaren Stellungnahmen der Arzneimittelbehörde. Hieran sei das HZA gebunden. Ob die Entscheidung der Arzneimittelbehörde rechtmäßig sei, könne auch vom FG im vorliegenden Verfahren nicht überprüft werden.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.
Hinweis
1. Der Streitfall hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung, soweit es um die Bindung der Finanzbehörden an Entscheidungen ressortfremder Behörden geht. Der vorliegende Fall betraf die Entscheidung einer Arzneimittelbehörde, wonach es sich bei einigen der in einer Postsendung enthaltenen Produkte um nicht einfuhrfähige Arzneimittel handele (§ 73 AMG).
2. Soweit Steuergesetze die Entscheidungen der Finanzbehörden von Entscheidungen ressortfremder Behörden (z.B. Verkehrs-, Gewerbeaufsichts-, Gesundheits-, Versorgungs-, Bauordnungsamt und Denkmalschutzbehörden etc.) abhängig machen oder den Steuertatbestand an tatsächliche oder rechtliche Vorgänge aus dem Bereich eines anderen Ressorts anknüpfen, sind die Finanzbehörden regelmäßig nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den Inhalt der ressortfremden Entscheidung unbesehen, d.h. ohne diese nochmals überprüfen zu müssen und zu dürfen, zu übernehmen. Dabei unterscheidet man grundsätzlich Tatbestands- und Feststellungswirkung. Unter einer "Tatbestandswirkung" versteht der BFH die Bindung an die Tatsache, dass eine andere Behörde einen wirksamen Verwaltungsakt oder ein anderes Gericht einen wirksamen judiziellen Akt erlassen hat. Dagegen umfasst die "Feststellungswirkung" die Bindung an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen einer ressortfremden Behörde.
3. Die Bindung der Finanzbehörden beschränkt zugleich die Prüfungsbefugnis und die Entscheidungskompetenz des FG.
Das ist im Hinblick auf die Rechtschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht unproblematisch. Das BVerfG hat die Tatbestandswirkung von Hoheitsakten jedoch ausdrücklich anerkannt (BVerfG, Beschluss vom 10.12.2009, 1 BvR 3151/07, NVwZ 2010, 435, Haufe-Index 2280326).
Für die Feststellungswirkung hoheitlicher Entscheidungen ressortfremder Behörden, die keine VA sind, könne nach Ansicht des BFH nichts anderes gelten, sofern der Steuerpflichtige dadurch nicht rechtsschutzlos gestellt werde. Für den Streitfall verweist der BFH darauf, dass der Steuerpflichtige gegen die Maßnahmen der Arzneimittelbehörde den Verwaltungsrechtsweg beschreiten könne. Damit bleibt die Entscheidung über Rechtmäßigkeit und Bestand behördlichen Handelns den dazu berufenen Spezialgerichten vorbehalten.
4. Die dargestellte Bindung der Zollbehörden an die Entscheidung der Arzneimittelbehörde bestehe laut BFH jedenfalls dann, wenn diese Entscheidung nicht offensichtlich rechtswidrig ist.
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