Leitsatz
Es stellt eine Tatsache i. S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO dar, wenn ein nach § 7g EStG a. F. begünstigtes Wirtschaftsgut bis zum zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahr nicht angeschafft und die Rücklage nicht aufgelöst wird.
Sachverhalt
Zu den Voraussetzungen für eine Änderung eines bestandskräftigen ESt-Bescheids zuungunsten des Steuerpflichtigen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gehört u. a., dass eine Tatsache dem für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbeamten nachträglich, d. h. nach Abschluss der Willensbildung, bekannt wird. Im Urteilsfall machte der Kläger - ein selbstständiger Musiker - in der im Streitjahr 1999 eingereichten ESt-Erklärung 1997 bei den Betriebsausgaben seiner Einnahmen-Überschussrechnung auch einen Betrag als Ansparabschreibung für den Kauf einer neuen Posaune geltend. Der ESt-Bescheid 1997 wurde bestandskräftig. Eine Posaune erwarb der Kläger weder im Jahre 1998 noch im Streitjahr 1999. Die ESt-Erklärung des Streitjahrs 1999 ging beim beklagten Finanzamt 2001 ein. Eine Betriebseinnahme für die Auflösung der Ansparrücklage wurde in der Einnahmen-Überschussrechnung nicht erklärt. Auch der ESt-Bescheid des Streitjahrs 1999 aus 2001 wurde bestandskräftig. Erst 2002 wurde der zuständige Sachbearbeiter darauf aufmerksam, dass die im Streitjahr 1999 vorzunehmende Auflösung der Ansparrücklage unterblieben war. Mit Änderungsbescheid aus 2003 wurde die ESt-Veranlagung geändert und der Gewinn des Klägers um die Ansparaschreibung zuzüglich eines Gewinnzuschlag erhöht. Der Einspruch blieb erfolglos.
Entscheidung
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des entscheidenden Senats ergebe sich die Befugnis zur Änderung der bestandskräftigen Festsetzung zuungunsten des Klägers aus § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Es handele sich bei dem Umstand, dass der Kläger die durch die Ansparabschreibung begünstigte Investition bis zum Ende des Streitjahres nicht vorgenommen habe, um eine Tatsache, die dem Beklagten erst nachträglich bekannt geworden sei. Der Änderung des bestandskräftigen ESt-Bescheids stünden auch die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Einer möglichen Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten stehe der weit schwerer wiegende Verstoß des Klägers, seine Pflicht zur vollständigen und eindeutigen Unterbreitung des für die Besteuerung relevanten Sachverhalts, entgegen.
Hinweis
Nach § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG n. F. ist im Fall der Nichtanschaffung des Investitionsguts der Investitionsabzugsbetrag im Jahr seiner Bildung rückgängig zu machen. Hierzu sind nach § 7g Abs. 3 Satz 2 u. 3 EStG n. F. die entsprechenden Steuerbescheide auch dann zu ändern, wenn sie bereits bestandskräftig geworden sind.
Link zur Entscheidung
FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.01.2008, 4 K 123/06