Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
1. Entrichtet der Schenker die ihm gegenüber festgesetzte Schenkungsteuer in vollem Umfang, so erlischt diese auch mit Wirkung gegenüber dem Bedachten als weiteren Gesamtschuldner und kann daher diesem gegenüber nicht mehr festgesetzt werden.
2. Ein Schenkungsteuerbescheid ist nichtig, wenn ihm auch nach verständiger Auslegung nicht mit hinreichender Sicherheit die Höhe der festgesetzten Schenkungsteuer entnommen werden kann.
Normenkette
§ 44, § 47, § 119, § 124, § 125, § 157 AO, § 68, § 127 FGO
Sachverhalt
Der Vater des Klägers schenkte mit notariell beurkundetem Vertrag dem Kläger Beteiligungen an Gesellschaften. Das FA erließ zunächst einen SchenkSt-Bescheid gegen den Vater als Träger der SchenkSt für den Kläger. Gegen diesen Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt. Der Vater zahlte die fällige Steuer fristgerecht. Danach setzte das FA mit Bescheid vom 26.10.2010 erneut SchenkSt fest und gewährte die Vergünstigungen des § 13a ErbStG nicht mehr. Der Bescheid erging an den Vater als gesetzlicher Vertreter des zu diesem Zeitpunkt minderjährigen Klägers. Der Vater zahlte erneut den fälligen Betrag. Im Einspruchsverfahren erhöhte das FA erneut die SchenkSt. Das FG wies die Klage, mit welcher der Kläger die Aufhebung sämtlicher Bescheide und der Einspruchsentscheidung begehrte, ab. Das FG war der Auffassung, dass der Bescheid vom 26.10.2010 in einen Erstbescheid gegen den Kläger umgedeutet werden könnte. Der BFH gab der Revision zunächst in einem Gerichtsbescheid statt und hob den gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheid auf.
Das FA beantragte mündliche Verhandlung, hob den SchenkSt-Bescheid auf und erließ am selben Tag gegenüber dem Kläger einen neuen Bescheid. Im Tenor des neuen SchenkSt-Bescheids wurde die gesamte Steuer i.H.v. 15.800.340 EUR gegen den Kläger festgesetzt. Nachfolgend erfolgte unter der Überschrift "Berechnung des steuerlichen Erwerbs" die Zusammenrechnung des Werts des Erwerbs, des Vermögens aus Vorerwerben und der vom Vater übernommenen SchenkSt. Ausgehend von dem Gesamtbetrag des Erwerbs, abzüglich des persönlichen Freibetrags nach § 16 ErbStG a.F., wurde der steuerpflichtige Erwerb mit 52.667.800 EUR angegeben. Sodann erfolgte unter der Überschrift "Steuerfestsetzung" eine nähere Erläuterung der Festsetzung. Ausgehend von dem zuvor ermittelten steuerpflichtigen Erwerb wurde unter Berücksichtigung des maßgeblichen Steuersatzes die im Tenor des Bescheids genannte Steuer i.H.v. 15.800.340 EUR ermittelt. Von diesem Betrag wurde zunächst die nach § 25 ErbStG gestundete Steuer (5.667.690 EUR) abgezogen und der Ablösungsbetrag (3.394.946,31 EUR) wieder hinzugerechnet. Sodann wurde die durch den Vater (Schenker) bereits geleistete Zahlung (6.698.133 EUR) abgezogen und eine "festgesetzte Steuer" i.H.v. 6.829.463,31 EUR aufgeführt. Danach erfolgte ein Ausgleich durch Verrechnung i.H.v. 6.829.463,31 EUR, sodass die Aufstellung mit "Noch zu zahlen" i.H.v. 0 EUR endete.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision stattgegeben. Der während des Revisionsverfahrens erlassene SchenkSt-Bescheid wurde Gegenstand des Verfahrens. Er war nach Auffassung des BFH nichtig und daher aufzuheben. Die Klage des Klägers hatte danach Erfolg.
Hinweis
1. Nachdem der BFH zunächst einen Gerichtsbescheid erlassen hatte, beantragte das FA mündliche Verhandlung. Damit war der Gerichtsbescheid hinfällig geworden. Das FA nutzte die Gelegenheit und erließ – unter gleichzeitiger Aufhebung des angefochtenen SchenkSt-Bescheids – einen neuen Bescheid. Bei diesem versuchte es die Ausführungen des BFH im Gerichtsbescheid zu beachten. Der neue Bescheid wurde nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 FGOGegenstand des Revisionsverfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedurfte es nicht, da sich aufgrund des neuen SchenkSt-Bescheids an den zwischen den Beteiligten streitigen Punkten nichts geändert hatte.
2. Das FA hat bei dem Versuch, während des Revisionsverfahrens unter Beachtung der Ausführungen des Gerichtsbescheids einen rechtmäßigen SchenkSt-Bescheid zu erlassen, sein Ziel verfehlt. Der SchenkSt-Bescheid war nichtig, da er nicht inhaltlich hinreichend bestimmt war (§ 119 Abs. 1 AO).
3. Es ging aus dem Bescheid nicht eindeutig hervor, in welcher Höhe die SchenkSt festgesetzt wurde. Im Tenor des Bescheids wurde SchenkSt i.H.v. 15.800.340 EUR gegen den Kläger festgesetzt und sodann in der Begründung unter der Überschrift "Steuerfestsetzung" ein niedrigerer Betrag als "festgesetzte Steuer" i.H.v. 6.829.463,31 EUR ausgewiesen. Das ist widersprüchlich und führt dazu, dass die festgesetzte Steuer, die eines der Kernelemente eines Steuerbescheids (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO) ausmacht, für den Kläger als Adressaten des Steuerbescheids nicht hinreichend bestimmbar ist.
4. Der Bescheid ließ auch nicht erkennen, dass die festgesetzte Steuerschuld durch die Zahlung des Vaters nach § 47, § 224 i.V.m. § 44 Abs. 2 Satz 1 AO materiell erloschen war. Erwerber und Schenker sind nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AOGesamtschuldner. Sie schulden nebe...