rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
EuGH-Vorlage zum nationalen „Belastungscocktail” aus Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer für Empfänger von Bauleistungen sowie zum europäischen Umsatzsteuer-Mehrfachbelastungsverbot des Art. 401 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie
Leitsatz (redaktionell)
- Dem EuGH wird folgender Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Verstößt die Erhebung der deutschen GrESt auf künftige Bauleistungen durch deren Einbeziehung in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks (sog. einheitlicher Leistungsgegenstand bestehend aus Bauleistungen sowie Erwerb des Grund und Bodens) gegen das europäische Umsatzsteuer-Mehrfachbelastungsverbot des Art. 401 der Mehrwertsteuer-System-Richtlinie (einst: Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie), wenn die grunderwerbsteuerlich belasteten Bauleistungen zugleich als eigenständige Leistungen der deutschen Umsatzsteuer unterliegen?
- Das Klageverfahren wird gemäß § 74 FGO bis zur Entscheidung des EuGH im vorigen Verfahren ausgesetzt.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 9a; GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, §§ 8, 9 Abs. 1, § 11
Streitjahr(e)
2004
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob künftige Baukosten dann nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einbezogen werden dürfen, wenn diese als eigenständige Leistungen zugleich der Umsatzsteuer unterliegen und die beiden Steuern vom Verbraucher, hier von der Klägerin, zu tragen sind.
Die Klägerin und ihr Ehemann beauftragten am 3. Dezember 2004 ein Bauunternehmen mit der Errichtung eines Einfamilienhauses zu einem Preis von 196.544 Euro. In dem Bauvertrag vom 3. Dezember 2004 wurde der genaue Bauort in Ronnenberg (Deutschland) festgelegt.
Die Klägerin und ihr Ehemann erwarben den damals noch zu bebauenden Grund und Boden mit Notarvertrag vom 20. Dezember 2004 von einer Grundstücksgesellschaft zu einem Kaufpreis von 73.870 Euro. Die Grundstücksgesellschaft hatte dieses, aber auch andere Baugrundstücke in Ronnenberg, mit Vertrag vom 22. Juni 2004 erworben. Dem Grundstückskaufvertrag vom 22. Juni 2004 war ein Bebauungsplan für die Baugrundstücke beigefügt, in dem das von der Klägerin und ihrem Ehemann beauftragte Bauunternehmen benannt ist.
Da der Gesellschafter-Geschäftsführer des Bauunternehmens zugleich Beteiligter der Grundstücksgesellschaft war, nimmt das beklagte Finanzamt eine personelle Verflechtung sowie ein Zusammenwirken der beiden Unternehmen auf der Veräußererseite an und folgt der Rechtsprechung des II. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach in solchen Fällen als Gegenstand des Grunderwerbsvorgangs das künftig bebaute Grundstück angesehen wird, und bezog die künftigen Baukosten in die Grunderwerbsteuer-Bemessungsgrundlage mit ein.
Das beklagte Finanzamt setzte mit Bescheiden vom 11. Februar 2005 bzw. vom 7. April 2005 die Grunderwerbsteuern für die Klägerin und ihren Ehemann auf je 4.732 Euro fest. Die insgesamt festgesetzten 9.464 Euro setzen sich wie folgt zusammen:
3,5 % von 73.870 Euro (Grundstück) = 2.585,45 Euro
und 3,5 % von 196.544 Euro (künftige Baukosten) = 6.879,04 Euro
sind zusammen (abgerundet) 9.464 Euro.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhebt die Klägerin Klage und trägt im Wesentlichen vor, dass die Grunderwerbsteuer nicht die Baukosten, sondern allein den Erwerb des Baugrundstücks, also den Grunderwerb, erfassen darf. Der Ehemann der Klägerin hat – aus vorverfahrensrechtlichen Gründen – keine Klage erhoben.
Im Klageverfahren legt die Klägerin Nachweise vor, wonach sie und ihr Ehemann Umsatzsteuern in einer Gesamthöhe von 27.109,52 Euro (= 16 % von 169.434,48 Euro) als Teil der Baukosten von insgesamt 196.544 Euro zu tragen hatten.
In der mündlichen Verhandlung vom 2. April 2008 kennzeichnet der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Rechtsprechung des II. BFH-Senats zum sogenannten einheitlichen Vertragswerk (bzw. einheitlichen Leistungsgegenstand) bei der Grunderwerbsteuer als Auslöser für Wettbewerbsverzerrungen. Denn das BFH-Kriterium „Zusammenwirken mehrerer Anbieter auf der Veräußererseite” dränge den Erwerber des Grund und Bodens wegen drohender grunderwerbsteuerlicher Mehrbelastung dazu, einen Bauvertrag möglichst nicht mit einem Bauunternehmen abzuschließen, das mit dem Veräußerer des Grund und Bodens zusammenarbeite, obwohl dieses Bauunternehmen womöglich das günstigste Bauvertragsangebot mache.
1. Die Klägerin beantragt, die ihr gegenüber festgesetzte Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.732 Euro auf 1.292 Euro (= 3,5 % von 73.870 Euro, davon ½) herabzusetzen. Dagegen beantragt das beklagte Finanzamt, die Klage abzuweisen.
2. Das vorlegende Gericht hat die Bauakte der Stadt Ronnenberg und die Grunderwerbsteuerakte des beklagten Finanzamts beigezogen.
Entscheidungsgründe
Für die Beurteilung des Streitfalles werden die einschlägigen deutschen Vorschriften wiedergegeben.
§ 4 Nummer 9a des Umsatzsteuergesetzes (UStG):
Von den unter § 1 Absatz 1 Nummer 1 fallenden Umsätzen sind steue...