Entscheidungsstichwort (Thema)
Durchgangszimmer zum Schlafzimmer als Arbeitszimmer
Leitsatz (redaktionell)
- Grds. ist eine im steuerlichen Sinne schädliche private Mitbenutzung eines Arbeitszimmers anzunehmen, wenn es sich bei dem Zimmer um ein Durchgangszimmer handelt.
- Wird ein Arbeitszimmer lediglich als Durchgang zu einem privaten Raum benutzt, muss nach den Umständen des Einzelfalles gewichtet werden, ob der Raum so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird.
- Der Durchgang durch das Arbeitszimmer in ein Schlafzimmer stellt eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers von nur untergeordneter Bedeutung dar.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1
Streitjahr(e)
1995
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Durchgangszimmer steuerlich als Arbeitszimmer anzuerkennen ist.
Die Kläger sind Eheleute. Sie wurden im Streitjahr 1995 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Der Kläger bezieht als ...arzt überwiegend Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Die Klägerin ist als Lehrerin mit voller Stundenzahl beschäftigt. Beide sind Miteigentümer eines als Einfamilienhaus bewerteten Wohngebäudes, das sie zusammen mit ihren drei minderjährigen Kindern (geboren 198..., 198..., 198...) bewohnen. Die Wohnfläche beträgt 138 qm. Im Kellergeschoß des Hauses betreibt der Kläger seine Arztpraxis. Wegen der Aufteilung der Wohnräume wird auf die zu den Gerichtsakten IX 194/96 eingereichte Bauzeichnung vom Juli 1983 Bezug genommen.
In der Steuererklärung des Streitjahres machten die Kläger Aufwendungen für je ein Arbeitszimmer geltend. Während der Beklagte (das Finanzamt – FA –) das Arbeitszimmer des Klägers steuerlich anerkannte und die entsprechenden Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin (5,5 qm) in Höhe von 861 DM mit der Begründung, der Raum sei ein Durchgangszimmer zum Arbeitszimmer des Klägers und zum elterlichen Schlafzimmer, hinter dem sich das Badezimmer mit Dusche und Badewanne befinde. Durch diese Anordnung der Räumlichkeiten werde das Arbeitszimmer der Klägerin in nicht nur untergeordneter Weise privat mitgenutzt.
Wegen des Umfangs der Nutzung und der Einrichtung des Arbeitszimmers wird auf den von der Klägerin zur Veranlagung 1993 ausgefüllten Fragebogen des FA Bezug genommen.
Der Einspruch bleibt erfolglos.
Mit ihrer Klage verfolgen die Kläger ihr Anliegen weiter, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer der Klägerin als Werbungskosten abziehen zu können. Ihrer Ansicht nach ist die private Mitbenutzung des Arbeitszimmers von untergeordneter Bedeutung, da es lediglich vom Kläger zum Erreichen seines Arbeitsbereichs und morgens und abends bei Verlassen und Betreten des Schlafbereichs durchquert werden müsse. Die Kinder hätten in ihrem Wohnbereich ein eigenes Bad mit WC. Da dieser Raum wesentlich näher am allgemeinen Wohnbereich liege als das elterliche WC, werde er auch von ihnen während des Tages mitbenutzt. Für Gäste stehe im Kellergeschoß noch zusätzlich ein Bad mit WC zur Verfügung.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1995 vom 15. Oktober 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1997 zu ändern und die Einkommensteuer unter Abzug weiterer Werbungskosten von 861 DM niedriger festzusetzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner im Rechtsbehelfsverfahren vertretenen Auffassung, das Arbeitszimmer der Klägerin, das in der Architektenzeichnung als Garderobe ausgewiesen sei, werde nicht in unerheblicher Weise privat mitbenutzt. Der Raum müsse zum Erreichen des Schlafzimmers und des Badezimmers durchquert werden. Im elterlichen Bad stehe der Familie die einzige Bademöglichkeit zur Verfügung. Auch die Kinder müßten dieses Badezimmer zum Baden mitbenutzen, da ihr Kinderbad nur über eine Dusche verfüge. Ferner müsse der Kläger das streitbefangene Zimmer durchqueren, um sein eigenes Arbeitszimmer zu erreichen. Insgesamt ergebe sich so eine erhebliche Mitbenutzung des Raumes zu privaten Zwecken, so daß die Voraussetzungen für einen Abzug der Aufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin nicht gegeben seien.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig. Die Kläger werden durch ihn in ihren Rechten verletzt, da das FA die Aufwendungen für das Arbeitszimmer zu Unrecht nicht abgezogen hat.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer werden nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit anerkannt, wenn dieses Zimmer so gut wie ausschließlich beruflich genutzt wird. Bei einer mehr als nur geringfügigen privaten Mitbenutzung steht die Vorschrift des §12 Nr. 1 EStG der Abziehbarkeit auch nur eines Teils der Aufwendungen entgegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Oktober 1983 VI R 180/82, BFHE 139, 518, BStBl II 1984, 110, m.w.N.). Da der Umfang der in der Vergangenheit liegenden tatsächliche...