Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung freiberufliche/gewerbliche Tätigkeit bei einem EDV-Berater
Leitsatz (redaktionell)
- Bei einem EDV-Berater kommt eine freiberufliche Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG nur in Betracht, wenn die Tätigkeit überhaupt eine ingenieurmäßige Beschäftigung und Entwicklung (hier: mit Software) zum Gegenstand hat.
- Die bloße Nutzung im Rahmen praktischer Tätigkeit erworbener beruflicher Kenntnisse im Bereich des Personalwesens zur Erbringung von Beratungsleistungen auf dem EDV-Gebiet gegenüber Kunden ist als gewerbliche Tätigkeit zu qualifizieren.
Normenkette
EStG §§ 15, 18
Streitjahr(e)
1994, 1995, 1996
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger die Einspruchsfrist eingehalten hat und ob die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führt.
Der Kläger absolvierte 1972 eine Ausbildung zum Industriekaufmann und war danach bis 1994 als Angestellter im EDV-Bereich tätig. Seit 1994 ist er selbständig.
Er beriet in den Jahren 1990-1997 verschiedene Unternehmen bei Problemen aus dem Anwendungsbereich elektronischer Datenverarbeitung. Er war darauf spezialisiert, Hilfestellung bei der Einführung bei den Standard-Softwareprogrammen PAISY und SAP-RP vor, bei und nach erstmaligem Einsatz zu geben. Seine Tätigkeit bestand in der Betreuung und Beratung bei der technischen Umsetzung der Software, die bei der Umstellung von Standardsoftware im Personalwesen (SAP-RP und PAISY) bei den Kunden des Klägers erforderlich wurde. Dafür hatte er vorhandene Unterlagen der Firma S ausgewertet und für sich ein Ablaufschema entwickelt, mit dem er die entsprechende Datenbank so umsetzen konnte, dass bei den Kunden der Systemwechsel, also das Upgrade auf eine neue Version der Software, möglich wurde. Ziel der Tätigkeit des Klägers war es u.a., dass seine Kunden Datenbanken, die sie mit der alten Version der Software nutzten, auch mit der neuen Version nach dem sog. Release-Wechsel nutzen konnten. Daneben schulte er die Systembetreuer in den jeweiligen Unternehmen, aber auch den Fachabteilungen (Personal).
Der Kläger erklärte im Rahmen seiner jeweiligen Einkommensteuererklärungen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Nachdem für die Streitjahre eine Außenprüfung durchgeführt worden war, erließ das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid und qualifizierte die Einkünfte des Klägers als gewerblich.
Das Finanzamt teilte dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 10.07.1998 mit, dass der Gewerbesteuermessbescheid für die Streitjahre unmittelbar an den Kläger (persönlich) gesandt worden sei. Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 21.07.1998 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Das Finanzamt setzte die Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide daraufhin mit Bescheid vom 31.07.1998 aus.
Tatsächlich gab die Gemeinde S die Bescheide erst am 19.08.1998 zur Post.
Mit Schreiben vom März 1999 wies das Finanzamt den Kläger darauf hin, dass er keinen zulässigen Einspruch eingelegt habe und regte an, den Einspruch zurückzunehmen. Der bereits vor Erlass der Bescheide erhobene Einspruch sei unzulässig. Der Klägerbevollmächtigte teile daraufhin im April 1999 unter Angabe der zeitlichen Abfolge mit, den Einspruch aufrecht zu erhalten. Das Finanzamt verwarf dennoch den Einspruch als unzulässig.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger ist der Auffassung, der Einspruch sei fristgerecht eingelegt worden. Der Beklagte könne sich nicht erst im Rahmen der Einspruchsentscheidung auf eine angebliche Verfristung stützen.
Darüber hinaus sei die Berufung auf eine Verfristung treuwidrig. Das Finanzamt habe die Pflicht gehabt, die Zulässigkeit des Einspruchs zu prüfen. Es hätte die Anträge auf Aussetzung bei gewissenhafter Prüfung ablehnen müssen.
Im Übrigen ist der Kläger Auffassung, er übe eine freiberufliche Tätigkeit aus. Seine Tätigkeit sei der eines Wirtschaftsinformatikers vergleichbar.
Sein beruflicher Werdegang und seine Qualifikation entspreche der eines Diplom-Informatikers. Der Kläger legte hierzu diverse Belege vor, auf die verwiesen wird. Der Kläger habe während seines gesamten Ausbildungs- und Berufslebens bis zum heutigen Tag ein kontinuierliches Selbststudium betrieben. Es könne ihm - wie sich auch aus dem BFH-Urteil vom 07.11.1991 (BStBl. II 1993, 324) ergebe - nicht zum Nachteil gereichen, dass er sich die Kenntnisse autodidaktisch erarbeitet habe. Der Kläger verfüge auch über den notwendigen wissenschaftlichen Hintergrund.
Auch entspreche seine ausgeübte berufliche Tätigkeit quantitativ und qualitativ einer Ingenieurstätigkeit, die der eines Diplom Wirtschaftsinformatikers vergleichbar sei. Der Kläger sei auf dem Gebiet der Systemtechnik tätig. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Projektbeschreibungen. Zwar habe er bei einigen Projekten auch Anwendungssoftware erstellt. Der Anteil der hierauf entfallenden Tätigkeit sei aber als viel geringer einzustufen als der, der auf die zu entwickelnde Systemsoftware entfalle. Der Kläger verweist auf das Urteil ...